Lea – Potsdam-Konvoi https://www.potsdam-konvoi.de INITIATIVE FÜR SOLIDARITÄT MIT MENSCHEN AUF DER FLUCHT Fri, 27 Sep 2019 13:14:32 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.1 https://www.potsdam-konvoi.de/wp-content/uploads/2018/03/cropped-logo_ws-kreis-1-32x32.png Lea – Potsdam-Konvoi https://www.potsdam-konvoi.de 32 32 Die EU finanziert Folter und Sklaverei in Libyen https://www.potsdam-konvoi.de/2017/12/die-eu-finanziert-folter-und-sklaverei-in-libyen/ Wed, 13 Dec 2017 01:01:52 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=983 „Die EU finanziert Folter und Sklaverei in Libyen“ weiterlesen

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Common Day of Action am 18. Dezember 2017, Internationaler Tag der Migrant*innen.

In Potsdam und Berlin wird es Aktionen geben, sowie in vielen europäischen Ländern und Tunesien. Lasst uns laut sein und dem Wahnsinn etwas entgegensetzen, denn die Mittel die Europa zur Sicherung der Festung einsetzt verstoßen gegen alle Menschenrechte:

Ich sterbe lieber im Mittelmeer, als zurück nach Libyen zu gehen.”

Das sind die direkten Worte von fast allen Migrant*innen, die aus dem Mittelmeer gerettet wurden.

Während der letzten 3 Jahre geschehen schreckliche Gräueltaten, wenige Kilometer vor der europäischen Küste. Libyen, das Land von dem so viele Migrant*innen ablegen, auf dem Weg nach Europa, ist zu einem Ort des extremen Leids geworden.Nach dem Bürgerkrieg gibt es dort noch immer keine Zentralregierung. Stattdessen gibt es rund 1700 verschiedene bewaffnete Gruppen und Milizen, die sich oft gegenseitig um die Kontrolle der Schlüsselgebiete wie zum Beispiel Tripol bekriegen. Diese Gruppen kontrollieren viele der Gefangenenlager im Land, in denen Migrant*innen in einem Kreislauf von Ausbeutung und Folter festgehalten werden. Viele Überlebende auf dem Mittelmeer haben ihre Erlebnisse geschildert:

 

In Libyen unterscheiden sie nicht zwischen Minderjährigen, Frauen oder Kindern, sie foltern uns alle. Es ist total gesetzlos, jede Gruppe handelt, wie sie will. Sie fangen uns wie wilde Tiere, mitten auf der Strasse,  und halten uns in privaten Gefängnissen. Jede Gruppe hat ihr eigenes Gefangenenlager. Jeden Tag siehst du in diesen Zentren Menschen sterben, jeden Tag. An Folter, Krankheiten, Hinrichtungen. Wenn du ihnen das geforderte Geld nicht gibst, schneiden sie dir die Finger ab, foltern und töten dich mit Stromschlägen, schlagen oder peitschen dich bis du ohnmaechtig wirst. Ihr einziges Ziel ist es, Lösegeld von unseren Familien zu bekommen, die noch zu Hause sind. Um die Bezahlung zu beschleunigen, versammeln sie uns jede Woche im Hof, stellen uns in eine Linie und töten wahllos eine*n von uns. Ich habe Menschen auf diese Weise ermordet werden sehen. Über einen Mann schütteten sie Benzin und verbrannten ihn lebendig. Nachts hören wir die Schreie von den Mädchen, die von den Wachposten vergewaltigt werden. Manchmal vergewaltigen sie, als Foltermethode, eine Frau vor den Augen ihres Mannes.

Wenn die Familien der Migrant*innen kein Geld schicken können, werden die Migrant*innen als Sklaven verkauft, um „donkey jobs“ (Affenarbeit) zu machen, wie afrikanische Migrant*innen es selbst bezeichnen. Gefangenenlager in Libyen sind faktisch Sklavennhäuser. Sklavenbesitzer*innen können kommen und eine*n Migrant*in kaufen und sogar einen Beleg für dieses Geschäft erhalten. Im ganzen Land herrschen diese Zustände, deswegen stellt Flucht keine realistische Option dar.

Wer 4-5 Monate ein solches Leben überlebt, bekommt eventuel einen freien Platz auf einem der Boote der Sklavenbesitzer*in, um den Weg nach Europa fortzusetzen, “genehmigt”. Dieses System schafft Platz für neuankommende Flüchtende. Die meisten Migrant*innen haben nicht bezahlt, wenn sie auf die Boote kommen, sie sind Sklav*innen, die fliehen. 

NGOs schätzen, dass zur Zeit rund 1,2 Millionen Menschen in Libyen unter solchen Umständen leben.

Die Europaeische Union unternimmt nicht nur nichts gegen diese tötlichen Camps, sondern finanziert sie faktisch und sieht sie als Part des europäischen Plans gegen Immigration. Aus offiziellen Berichten wissen wir, dass das meiste Geld der EU in Libyen, nicht für die Stabilisierung des Landes, sondern für die Eindämmung der Migration gegeben wird.Die EU erkennt die Milizen in Tripoli, als rechtmässige Regierung an (“government of national accorde”) und gibt ihnen Geld für den Bau weiterer Gefangenenlager .Gleichzeitig finanziert und trainiert die EU die sogenannte libysche Küstenwache, wie sie Boote aufhalten und Migrannt*innen wieder zurück nach Libyen schicken können, als Durchführungsmassname des Maltaabkommens, welches im Februar 2017 von allen EU-Staaten unterzeichnet wurde und 200 Millionen Euros, technische Ausrüstung und Patrollierboote, für die kriminelle libysche Küstenwache und deren Antimigrationsmassnahmen, beinhaltet. Mehr als 90 libysche Küstenwachen wurden von der EU bereits ausgebildet.

Ihre ofizielle Stellungnahme dazu ist, dass sie sie darin trainieren, gegen Schmuggler*innen anzukämpfen und Rettungseinsätze durchzuführen. Die Wahrheit ist jedoch, dass unter dem Vorwand “Rettung”, Boote und mit ihnen die Fliehenden zurück in die Hölle der libyschen Gefangenenlager gebracht werden – mit dem Wissen und der Zustimmung Europas.Es gibt unzählige Berichte von Geflüchteten die erzählen, dass libysche Gruppen die Boote überfallen, auf sie geschossen oder den Motor geklaut haben, und die Menschen dann zurückgelassen haben, zu Tode treibend. Andere berichten, dass die Küstenwache sie gefangen nahm und sie als Sklav*innen verkauft wurden. Viele dieser illigalen Rückführungen wurden gemeinsam mit oder im Wissen der EU-Militärsflotte durchgefuehrt (Operation Sophia).

Anscheinend fühlt sich die libysche Küstenwache, durch das Abkommen mit der EU, so bestärkt dass sie immer wieder Boote der NGOs belässtigen, indem sie die Boote in Gewahrsam nehmen, an Bord kommen oder sogar direkt auf sie schiessen.

Als Ergebniss dieses schmutzigen Abkommens ist die Zahl der Ankommenden in den lezten drei Monaten zurück gegangen. Die Milizen haben ihr Geschäfft angepasst. Die Menschen, die ausreichend Geld haben werden an die Aussengrenzen geschmuggelt. Ein anderer Bürgerkrieg hat begonnen, da die Gruppen gegeneinander kämpfen, um die Finanzierung der EU zu bekommen. Wer die Handelsplätze kontrolliert bekommt das Geld aus Europa. Menschen auf der Flucht werden als Ware gehandhabt, die von Hand zu Hand gereicht wird, jenachdem, wer in welchem Gebiet siegt.

Migrant*innen in Libyen sind verzweifelter als je zuvor. Sie sind gefangen in einer Sklavenzone ohne Ausweg. Sie können weder vor noch zurück. Zur selben Zeit feiert Europa über den Rückgang der Zahl der Ankommenden. Praktisch feiert es die Rückkehr gefolterter Menschen zu ihren Folterern, missbrauchter Frauen zu ihren Vergewaltigern.

Wir können nicht ruhig bleiben, während die Länder in denen wir leben, Verbrechen gegen die Menschheit unterstützen und finanzieren.

Wir erheben uns, gegen das kriminelle System der Festung Europa.

Wir fordern die sofortige Beendigung der Finanzierung von Folter in Libyen.

Beendet Sklaverei und willkürliche Inhaftierung in Libyen.

Freie Wege, medizinische Versorgung und Schutz für alle Opfer von Folter und Menschenhandel.

Solidarität mit Migrant*innen und Flüchtenden

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Ein Projekt gegen Grenz- und Konrollpolitik https://www.potsdam-konvoi.de/2017/11/ein-projekt-gegen-grenz-und-konrollpolitik/ Sun, 26 Nov 2017 16:56:43 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=958 „Ein Projekt gegen Grenz- und Konrollpolitik“ weiterlesen

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Dieser Blogeintrag  ist ein wenig anders. Wir haben uns in den letzten Tagen an die Übersetzung von diesem Text gesetzt, da er das Projekt City Plaza genial beschreibt und die Politik, die hinter diesem Haus steht, sowie die Geschichte und die Probleme, die es gab und gibt, wenn 400 Menschen unter einem Dach leben, die ausserhalb so unterschiedliche Rechte haben. Es lohnt sich auf alle Fälle weiter zu lesen, um zu erfahren, wie Zusammenleben in einer solchen Gesellschaft und politischer Aktivismus miteinander verbunden werden können.

Hier ist der Link zum Originaltext: https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (letzter Zugriff 26.11.17)

Nur ein kurzes Update zum Hungerstreik, da wir es nicht geschafft haben, darüber in den letzten Tagen zu schreiben. Die Streikenden haben sich entschlossen nach 14 Tagen abzubrechen, da die Situation mit den Kindern zu schwer war und viele keine Kraft mehr hatten. Auch die Familienangehörigen haben teilweise gesagt, dass es ihnen sehr schwer fällt, den Streikenden beim Hungern zuzusehen. Es gab nichtgenug Rückmeldung von der Regierung. Nicht alle haben einen Flug bekommen. Eindeutig in zu wenigen! Drei der Streikenden wohnen jetzt bei uns im City Plaza.

Intervention – „1.5 Jahre City Plaza: Ein Projekt gegen die Grenz- und Kontrollpolitik

Olga Lafazani
PhD, Department of Geography, Harokopio University, Athens
Mitglied vom City Plaza
https://hua.academia.edu/OlgaLafazani

Die Idee einer grossräumigen Besetzung eines Hauses für Refugees wurde das erste Mal im September 2015 von der „Initiative für Solidarität mit wirtschaftlichen und politischen Flüchtenden“ [1] – eine Basis-Koalition von Gruppen der radikalen Linken in Athen – vorgeschlagen. Zu dieser Zeit setzte sich der „Sommer der Migration“, wie er später genannt werden sollte, fort. Die meisten Migrant*innen, die Athen passierten waren auf der Durchreise, weil die „Balkanroute“ noch offen war und die Grenzen -mehr oder weniger- überschritten werden konnten. Das hiess, dass eine bessere Behausung noch nicht zwingend notwendig war. In diesem Zusammenhang entschied sich die Initiative verschiedene Solidaitätsmobilisierungen und -aktionen an mehreren öffentlichen Plätzen in Athen zu organisieren.

Wie auch immer, in den Folgemonaten sollten sich die Dinge ändern. Mit dem Unterzeichnen des EU-Türkei Abkommens am 18 März 2016 und dem allmählichen Schliessen der “Balkanroute” führte es zur Festsetzung von über 50.000 Migrant*innen auf dem griechischen Festland, während sich die Ägäischen Inseln in eine effektive Pufferzone zwischen der Türkei und Griechenland umwandelten. Diese Entwicklungen bedeuteten, dass das Behausen schnell zu einem dringend notwendigen Problem wurde, besonders im Hinblick auf die gesetzlichen Beschlüsse, Flüchtendenlager und “Hotspots” in abgelegensten Gebieten und unter menschenunwürdigen Bedingungen zu bilden. [2]

Zur selben Zeit wurden Solidaritätsbewegungen, die zuvor in den Medien überall in Europa gefeiert und für einen Nobelpreis nominiert wurden, Schritt für Schritt vom Staat unterdrückt und als gewöhnlich bzw. alltäglich dargestellt. Solidarischen Gruppen wurde zunehmend der Zugang zu den Camps untersagt und freiwillige Helfer*innen mussten sich ausführlichen Kontrollprozeduren hingeben, auch an unoffiziellen Orten wie dem Hafen von Piraeus. Ausserdem wurden Gruppen systematisch beschuldigt, Demonstrationen und Aufstände anzufechten und zu organisieren, was in einigen Fällen zu Festnahmen von Teilnehmer*innen führte.

Aufgrund der Umstände und nach intensiver Vorbereitung, eine Monat nach der Unterzeichnung des EU-Türkei Abkommens, übernahmen wir am 22. April 2016 das City Plaza, ein jahrelang leerstehendes, achtstöckiges Hotel im Zentrum von Athen und machten daraus ein Hausprojekt und Knotenpunkt des Widerstandes. [4] Die Entscheidung für eine Besetzung war eine “radikale Antwort” auf die Festigung der Grenzen. Was wir gegen die soziale und räumliche Abschottung der Camps vorschlugen, war das Zusammenleben unter menschenwürdigen Umständen im Herzen der Stadt. Ausserdem war es ein Angriff auf die Illigalisierung der antirassistischen Bewegung mit der Ansammlung einer grossen Anzahl an Solidarität und Basisselbstorganisation.

https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

Das City Plaza bietet den Teilnehmer*innen eine Erfahrung, die sich sehr von anderen politischen und aktivistischen Projekten unterscheidet. Es vereint zwei, auf sozialer, politischer und ideologischer Ebene, scheinbar verschiedene Kämpfe und Themen, gesellschaftliche Solidarität und politischer Ungehorsam, bietet ein Gegenbeispiel und kreirt konkrete politische Ansprüche. Es organisiert das alltägliche Leben, während der Kampf für Freiheit und gleiche Rechte weiter besteht.

Was ihr nicht könnt, können wir

Mit der Kraft aus den Erfahrungen, des radikalen Zusammenschlusses und Selbstorganisation, ist das City Plaza ein Gegenbeispiel, dass im starken Kontrast zur dominierenden Politik im Umgang mit der “Flüchtlingkrise” steht. City Plaza beweisst, Tag für Tag, dass das Model des “Camps” als politische Entscheidung hinterfragt werden muss, wenn hier von einer sozialen Bewegung – mit Zugang zu nur begrenzten Ressourcen; ohne jegliche institutionelle oder organisationelle Unterstützung; nur auf Spenden verlassend; ohne Angestellte oder “Spezialist*innen” – eine der besten Plätze in Griechenland, zur Behausung von Geflüchteten am Laufen gehalten werden kann. Durch das Gegenbeispiel City Palza, bezweifeln wir die dominierende Meinung, dass es innerhalb der Debatte um den “Notfall” und die “Flüchtlingkrise”, “keine Alternative zu den Camps“ gibt.

Das Projekt City Plaza beinhaltet eine Doppelbewegung. Einerseits stellt es einen höheren Anspruch an gesellschaftliche und politische Rechte – für angemessene Unterkünfte und Angebote der Grundbedürfnisse, sowie freien Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen. Jene, denen das Recht auf menschwürdige Behausung, Gesundheit und Bildung aberkannt wurde, können diese Rechte nun in einer selbstorganisierten Struktur leben. In diesem Sinne ist City Plaza nicht nur ein Gegenbeispiel im Kontrast zur dominierenden Politik rund um die “Flüchtlingkrise”, sondern auch ein Beispiel dafür, wie Selbstorganisation funktionieren und grundlegende soziale Rechte erschaffen und aufrecht erhalten kann und dadurch Emanzipation und Solidarität vorlebt .

Wie auch immer, City Plaza stellt nicht nur Fragen rund um Migration oder Selbstorganisation und Rechte. Es berührt auch vielfache Dimensionen der Gesellschaft und Politik. Zum Beispiel: Die Besetzung privaten Eigentums ist eine Aktion, die den Kern des Kapitalismus, welcher Eigentum als das “heiligste” aller Rechte bzw. Ansprüche sieht, herausfordert. Mit der Übernahme von City Plaza stellen wir die Frage: Ist das Recht ein unbenutztes, achtstöckiges Hotel zu besitzen mehr wert, als das Recht dieses Eigentum als ein Haus für 400 Menschen, die einen schrecklich dringenden Unterkunftsbedarf haben, zu nutzen? Die Besetzung von Privateigentum für soziale Zwecke, zweifelt die Beziehung zwischen Legalität und sozialer Gerechtigkeit an.

Der Standort des Gebäudes in der Aghios Panteleimos Umgebung, war auch eine politische Entscheidung. Dieses Viertel von Athen war auch der Ort an dem die rechtsradikale Partei “Golden Dawn” (Goldene Morgenröte) das erste Mal zusammen kam und noch immer starke Unterstützung aus der Bevölkerung erhält.[5] In dieser Nachbarschaft, formt City Plaza einen Ort des täglichen Zusammentreffens und der Intervention. Zudem stellt es, als ein organisierter Raum, eine Blockade gegen faschistische Aktionen dar.

Organisation des Alltags oder Infragestellung der Grenze zwischen Gastgeber*in und Gast

Der Alltag im City Plaza sollte nicht als einfacher und problemloser Prozess romantisiert werden. Irgendwie ist City Plaza ein “seltsames” Durchreisedorf, welches 400 Migrant*innen aus rund zehn verschiedenen Ländern einbezieht, die in 110 Räumen leben. Jedes Hotelzimmer ist das Zuhause einer Familie und jeder Flur ist eine Nachbarschaft aus Menschen, die sich kurz zuvor noch völlig fremd waren. Es gibt Gemeinschaftsräume: ein Café, eine grosse Küche, ein Essenssaal, ein Lagerraum mit grundlegenden Hygeneartikeln, einen Ort für Versammlungen, eine Kinderecke, zwei Schulräume, einen Raum für Frauen* und eine Klinik. Weitere 15 Räume sind für Menschen, welche aus Solidarität zum City Plaza hier sind und teilnehmen, vorgesehen. Es gibt solidarische Menschen aus den Anfangskollektiven, sowie jene die von überall aus der Welt kommen, um das Projekt für einen kürzeren oder längeren Zeitraum zu unterstützen.

https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

City Plaza ist deswegen “seltsam” weil es keine “gesellschaftliche Struktur” hat: seine Bewohner*innen teilen nicht die sozialen Codes, die anderswo, durch die normalerweise festgehaltene Religion, Bildung, Sprache oder den Aufbau sozialer Beziehungen, erschaffen werden. Die Bewohner*innen kommen aus verschiedenen Orten, haben verschiedene Lebenserfahrungen, sprechen verschiedene Sprachen und haben verschiedene kulturelle und ethnische Hintergründe. Gleichzeitig begegnen sie verschiedenen Herausforderungen, haben verschiedene Möglichkeiten und Pläne und Träume für ihre Zukunft. Zu guter Letzt ist es ein “Durchreisedorf”, weil die enorme Mehrheit der Bewohner*innen davon träumt, Griechenland verlassen und Nordeuropa erreichen zu können.

City Plaza ist Teil eines weitaus grösseren Widerstandes gegen Rassismus, Ausgrenzung und Kapitalismus. Menschen auf der Flucht brauchen vor allem Sicherheit und einen würdevollen Raum, in welchem sie leben können. In diesem Sinne unterscheidet sich City Plaza sehr von anderen politischen, sozialen Einrichtungen oder besetzten Gebäuden, da es nicht aus einer mehr oder weniger homogenen Gruppe besteht, die sich aktiv dazu entschieden haben, Teil eines selbstorganinsierten und kollektivem Projekts zu sein. Vielmehr ist es ein Treffen von vielen verschiedenen Erfahrungen, Bräuchen, Hintergründen und Erwartungen.

Aber das macht es auch zu einem herausvordernden und faszinierend politischem Projekt. Was in anderen Projekten eine klare Vereinbarung ist, wie Antirassismus oder Antisexismus, ist im City Plaza Teil der täglichen Diskussionen. Es ist das Ziel und nicht der Anfangspunkt. In diesem Sinne hat das solidarische Kollektiv viele Verantwortungen. Beginnend von der sehr matriellen, aber notwendigen Arbeit Matrial- und Geldspenden zu sammeln und die damit verbundenen Schwierigkeiten, über die Instandhaltung des Gebäudes und das Steigern des Bewusstseins und der Solidarität, sowie politische Unterstützung des Projekts und den weiter reichenden politischen Widerstand, bis hin zur schwierigsten Herausforderung, den Alltag zu gestalten. Verschiedene Arbeitsgruppen erschaffen eine Struktur, um diese Verantwortung aufzuteilen: Rezeption; Küchenarbeit; Lagerraum; die Finanz-, Medizin-, und Sicherheitsgruppen; Kinderaktivitäen und Lehrer*innen. All diese Gruppen bestehen sowohl aus solidarischen Menschen, als auch aus den Flüchtenden selbst. Das Projekt benötigt eine Menge Engagemente: Einige von uns sind schon seit dem ersten Tag hier und werden bis zum letzten bleiben.

„WIR LEBEN UND LERNEN ZUSAMMEN“ https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

Für jede Einzelperson oder Familie, die zum Leben ins City Plaza kommen, beginnt der Prozess mit einem anstrengenden, ausführlichem Gespräch mit der Rezeptionsgruppe. Die Absicht dieses Gespräches ist den Menschen zu erklären, wie das Projekt aufgebaut ist und funktioniert, dass das besetzte Haus keine staatliche Institution ist und nur von Spenden lebt, dass die involvierten Leute kein Geld dafür bekommen, sondern freiwillig da sind, weil sie an das Projekt glauben und dass neue Leute selbst aktiv werden müssen, um teilzunehmen und die Verantwortungen zu teilen. Wie dieses erste Gespräch aufgenommen wird, liegt viel an der individuellen Lebenserfahrung. Für Menschen, die derartige politische und soziale Projekte noch nicht kennengelernt haben, ist es schwierig zu verstehen, warum wir ein solches Projekt freiwillig unterstützen. Für viele Menschen ist Solidarität etwas, was eher von der Familie oder Freunden erwartet wird, aber nicht von Fremden. Deswegen kommt das “Verständnis” nicht mit Worten, sondern mit Aktionen. Ausserdem kommt es mit der Zeit, mit dem Zusammenleben, dem Teilen des Essens, der gemeinsamen Verantwortungen und Kämpfe, Schwierigkeiten, Entspannung und Spass. Das konnten wir erleben, als die Wasserwerke uns das Wasser abstellen wollten und wir uns alle versammelten, um dem entgegen zu wirken. Diese gemeinsame Aktion hat “Verständnis” geschaffen, das dieses Hotel keine vom Staat akzeptierte Institution ist und nur durch Solidarität und gemeinsame Kämpfe am Leben gehalten werden kann.

Alle müssen sich am alltäglichen Leben im City Plaza beteiligen. Unter den Menschen, die hier leben, sind Köch*innen, Übersetzer*innen, Lehrer*innen und Ärzt*innen. Ein Rotationssystem stellt sicher, dass Erwachsene aus jedem Zimmer einmal die Woche eine Schicht, im Kochen, Saubermachen, Essensverteilen, Abwaschen etc. übernehmen. Diese Teilnahme ist unbedingt notwendig, um das Projekt selbstständig zu halten und nicht abhängig von “Volunteers” zu werden. Wie auch immer, diese Struktur ist ebenfalls eine politische Entscheidung. Tägliche Verantwortungen zu teilen bedeutet auch, dass viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, verschiedenen Alters und mit verschiedenen Geschlechtern zusammentreffen, um zusammen zu arbeiten. Mit dieser Struktur vermeiden wir ausserdem das Entstehen von einer Abhägigkeit, die in staatlichen Institutionen vorhanden ist. Mit dieser Zusammenarbeit schaffen wir ein Umfeld, in dem sich keine Person nutzlos oder bevormundet fühlt, da jede Meinung gefragt und die Verantwortung für das Projekt gemeinsam getragen wird. “J” eine Frau aus dem Iran sagte dazu einmal: “Im City Plaza war ich das erste Mal eine Person mit Verantwortung, die von allen anerkannt wurde. Leute kamen zu mir, um mich zu fragen, was es zu tun gibt. Das war ziemlich einmalig für mich.”

Henri Lefebvre schrieb schon 1968, dass ein vollkommener Alltag mehr braucht, als nur das Decken der Grundbedürfnisse, es braucht auch die Befriedigung von gewöhnlichen und ungewöhnlichen persönlichen Bedürfnissen. Für die Bewohner*innen des City Plaza ist dieser Prozess der Teilnahme und geteilter Verantwortung ein Prozess der politischen und sozialen Emanzipation im alltäglichen Leben.

Der Plan für die Aufgabenverteilung https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

Partizipation fordert auch Mitwirkung in Entscheidungfindungen: alle 15 Tage gibt es eine grosse “House Assembly”, ein Treffen mit allen Bewohner*innen des Hauses, ebenfalls findet jede Woche ein Koordinationsmeeting, ein Treffen mit den Menschen, die schon länger involviert sind, und verschiedene Arbeitsgruppentreffen statt. Nichtsdestotrotz werden die Prozesse der Entscheidungsfindungen, in den verschiedenen Versammlungen, der unterschiedlichen Teilnahme, des unterschiedlichen Verständnis und des Teilnehmens an dieser “seltsamen” Gesellschaft, eine grosse Herausforderung bleiben.

Eine Gesellschaft des Widerstands

Von der Organisation des Alltags bishin zu weitreichenden Ansprüchen und Bewegungen, versuchen wir eine Widerstandgesellschaft von unten aufzubauen, die die Migrationspolitik, “Hilfsprojekte” und NGO’s kritisiert.

Das Dach des Hotels https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

Die Entwicklung einer Widerstandsgesellschaft ist keine abstrakte Anforderung, sondern eine politische Aktion. Der alltägliche Widerstand ist das Ziel. Denn immer noch, existiert in vielen Initiativen und Projekten grosse Ungleichheit und Ungerechtigkeit gegenüber den ohnehin schon Unterdrückten. Dieser Widerspruch wird sich nicht von allein aufheben, aber wenn wir wollen und andere einladen teilzunehmen, können wir es schaffen. Mit anderen Worten, es geht nicht in den schon erbauten “Inseln der Freiheit “ zu bleiben, wenn wir nach wie vor in einer von Ausbeutung geprägten Welt, des Kapitals und des Saates, leben. Durch unseren alltäglichen Widerstand erweitern wir den Horizont der Möglichkeiten und können die Funken der Freiheit und Gerechtigkeit sehen.

Bei uns im City Plaza werden “Refugees” weder als “Revolutionssubjekt” missbraucht, noch werden sie als Opfer gesehen, denen wir beim Überleben helfen müssen. Gegen die Romantisierung oder Erschaffung von Abhängigkeiten durch Überbehütung, schaffen wir ein gemeinschaftliches Zusammenleben und Kooperation. Wir experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten von Denkansätzen und Lebensweisen. City Plaza ist ein Ort an dem starke soziale und politische Erfahrungen gemeinsam entstehen durch Selbstorganisation, Kooperation und Widerstand.

https://antipodefoundation.org/2017/11/13/intervention-city-plaza/ (26.11.17)

Notizen

[1] Die Initiative für Solidarität mit wirtschaftlichen und politischen Flüchtlingen wurde im Sommer 2015, hauptsächlich von vier verschiedenen radikal linken Gruppen, die schon lange aktiv sind, im Kampf gegen Rassismus, Faschismus und anderen politischen und gesellschaftlichen Themen, gegründet. Die Gruppen, die noch immer viel im City Plaza aktiv sind, sind: (1) Diktio – das Netzwerk für politische und soziale Rechte, ein Kollektiv, dass schon seit den 1990ern aktiv ist und sich hauptsächlich mit den Problemen des Antinationalismus, politischen Gefangenen und Migration auseinandersetzt. (2) Aren/Onra – ein Kollektiv junger Menschen die ehemals Mitglieder von Syriza waren, aber die Partei nach dem Referendum vom Sommer 2015 verlassen haben.

[2] Im Forum “Governing Mobility Through the European Union’s ‘Hotspot’ Centers” auf SocietyandSpace.org gibt es viele interessante Beiträge über das System der europäischen Migrationspolitik mit vielen Bezügen zu Griechenland. Siehe:

http://societyandspace.org/2016/11/08/governing-mobility-through-the-european-unions-hotspot-centres-a-forum/ (letzter Zugriff 3.11.2017)

[3] Siehe zum Beispiel:

https://www.theguardian.com/world/2016/jan/24/greek-islanders-to-be-nominated-nobel-peace-prize (letzter Zugriff 3.11.2017)

http://www.euronews.com/2016/02/04/refugee-crisis-a-nobel-peace-prize-for-the-heroes-of-the-aegean (letzter Zugriff 3.11.2017)

[4] Siehe:

http://solidarity2refugees.gr/refugee-accomodation-center-city-plaza/ (letzter Zugriff 3.11.2017)

https://www.youcaring.com/refugeeaccommodationandsolidarityspacecityplaza-716186 (letzter Zugriff 3.11.2017)

[5] Die Goldene Morgenröte wurde erstmals in Aghios Panteleimonas, 2008 aktiv, als sich die ersten Zeichen der Wirtschaftskrise in der griechischen Bevölkerung zeigten. Sie fokusierten sich in den folgenden Jahren hauptsächlich auf die „geheime Migration“. Ihr gesellschaftlicher Einfluss vergrösserte sich und sie formten Gruppen, die täglich Migrant*innen attakierten, mit dem Ziel Aghios Panteleimonas „sauber“ zu halten. Die Strassenaktionen liessen 2013 nach, nachdem die meisten Anführer der Goldenen Morgenröte, wegen des Mordes an Pavlos Fyssas, festgenommen wurden. Doch auch heute noch ist die Anzahl der Wähler*innen der Goldenen Morgenröte in der Umgebung von Aghios Panteleimonas eine der höchsten in ganz Griechenland. Für weitere Informationen zur Entwicklung der Goldenen Morgenröte im athener Zentrum siehe:

https://ejournals.epublishing.ekt.gr/index.php/ekke/article/view/6739 (letzter Zugriff 3.11.2017)

]]> Hungerstreik und Sexismus in der deutschen Botschaft https://www.potsdam-konvoi.de/2017/11/hungerstreik-fuer-familienzusammenfuehrung-und-die-deutsche-botschaft/ Thu, 09 Nov 2017 20:55:41 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=923 „Hungerstreik und Sexismus in der deutschen Botschaft“ weiterlesen

]]> Seit dem 1. November befinden sich auf dem Syntagma Platz im Zentrum Athens sieben Frauen* und sieben Männer* im Hungerstreik. Sie schlafen in Zelten auf dem Bürgersteig, direkt gegenüber vom griechischen Parlament. Ihre Forderung geht auch direkt an Griechenland aber auch direkt an Deutschland, denn alle von ihnen haben Familienangehörige in Deutschland. Seit Monaten und Jahren warten sie auf die Familienzusammenführung.

Hinter den acht Zelten hängt einen großes Banner mit der Aufschrift: „Reunite our families now!“ Davor die zehn Kinder, der Streikenden, die auch in den Zelten schlafen, mit Seilen, Stiften und Papier. Rund um die Uhr sind solidarische Menschen dort, die sich darum kümmern, dass es genug Schwarztee, Saft und Wasser gibt, sowie Essen für die Kinder. Es sind aufregende Tage und Nächte, denn jeden Tag ist viel zu tun. Die Streikenden werden regelmäßig von zwei bis drei Ärzten untersucht und der letzte Bericht war nicht sehr beruhigend. Viele der Streikenden leiden schon jetzt unter unterkühlten Händen und Füßen, niedrigem Puls, starken Bauchschmerzen und sinkenden Reflexen. Die Ärzte sagen, dass dies auch daran liegt, dass sie teilweise schon ältere Menschen und vor allem die Frauen mit bis zu vier Kindern vor Ort sind.

Angespannt war die Situation vor allem am Anfang des Streiks, da niemand wusste, wie die Polizei auf die Besetzung des Platzes reagieren wird. Sie drohten direkt in den ersten Stunden diesen zu räumen. Doch bis jetzt schenkten sie uns reichlich wenig Aufmerksamkeit. Nur einmal als eine angeblich wichtige politische Person in das Parlamentsgebäude eingeladen wurde. Da haben sie die Sicht auf, die zu dem Zeitpunkt 5 Tage Hungerstreikenden, mit zwei großen Bussen blockiert. Von Passanten gibt es fast alles an Feedback. Manche bringen Kleidung, Tee und Saft vorbei oder werfen Geld in die Spendenbox. Andere ignorieren den Streik, machen Fotos oder regen sich auf, da der “ Krieg in Syrien ja vorbei ist“.

https://m.facebook.com/hungerstrike4familyreunification/photos/a.758986264307121.1073741826.758985187640562/759037160968698/?type=3&source=45&ref=page_internal (09.11.2017)

Am 8. November gab es eine Demonstration, die bei der deutschem Botschaft enden sollte, da sich die Forderungen ja genau an diese Regierung richtet. Fast 200 Menschen gehen auf die Straße und fordern ein Gespräch bei der Botschaft. Diese stimmt zu und will drei Menschen einladen. Es ist selbstverständlich und schnell klar, dass drei der Streikenden hineingehen. Wer, ist auch schnell entschieden. Zwei Männer und eine Frau sind bereit für ein Gespräch.

Ich war während dessen bei den Zelten, um für die übrigen Streikenden und Kinder warme Kleidung zu verteilen, denn es regnete aus Strömen und alle drängten sich unter das kleine Dach um den Heizkörper. Als ich die Demonstrierenden zurück kommen sah, merkte ich schnell, dass etwas nicht gut war, denn schnell bildete sich ein Kreis und es wurde heftig in arabisch diskutiert und emotional erzählt.  Ich frage nach, was denn passiert sei und war sprachlos.

Als die Arbeitenden in der Botschaft die drei Mensche sahen, die zum Gespräch wollten verneinten sie doch und ihre Begründung ist unbegreiflich. Sie sagten “ Nein! Wir wollen nicht die Frau!“ Alle beschlossen daraufhin natürlich nicht zum Gespräch zu gehen. Die Geflüchteten so wie die Europäer*innen können es nicht fassen und nur vermuten, dass die Angst zu groß sei, dass die Frau zusammenbricht. Samira, eine Mutter, die den Weg mit ihren Kindern allein aus dem Krieg in Syrien nach Griechenland schaffte und hier seit Monaten das Warten aushält, um sich nun für einen Hungerstreik zu entscheiden, was eine der letzten Auswege und eine Lebens gefährdende Entscheidung ist, wird nicht in die deutsche Botschaft gelassen, aus Angst sie könnte zu schwach sein?!  Wir alle fragen uns, was dieses freie Europa sein soll. “ Are no human rights for women from the German side? We asked something simple. To sit on one table and speak. But they don’t let me in because I am a woman.“ schreibt Samira wenig später in einem Statement, über das was sie da vor der Botschaft erlebt hat. Den Menschen hier auf dem Syntagma Platz wurden Menschenrechte schon lange aberkannt, wie den tausenden anderen an den Grenzen Europas und nun auch die Rechte der Frauen. Sie darf Entscheidungen nicht für sich selbst treffen. Sie wurde bevormundet. Schnell wird in der Rage und Wut darüber geredet, ob jetzt auch auf das Trinken verzichtet werden soll. Noch trinken die Streikenden Saft und Tee. Wenn sie damit aufhören würden, wäre der Streik in spätestens zwei Tagen vorbei, denn länger hält es kein Mensch ohne Wasser aus. Ich bin immer wieder zu tiefst beeindruckt von der Stärke der Menschen und mir wird tagtäglich bewusst wie aussichtslos , die Situation sein muss in der sie stecken, um solche Entscheidungen, für sich und auch die Kinder zu treffen. Denn den 14  Leuten auf dem Syntagma Platz geht es nicht nur um sich, sondern auch um die 4.000 anderen Menschen, die noch in Griechenland stecken.  Hier ist der Link zu ihrer Facebookseite, auf der jeden Tag ein Bericht geschrieben wir. Dort befindet sich auch das ganze Statement von Samira und die medizinischen Berichte.

https://www.facebook.com/hungerstrike4familyreunification/?hc_ref=ARSI5unWV0Mf7hW7KvoA90D0KzglJriX8uU9Y_ZXwEIIAyN3xroTGd-Oqk_X4fmoOvw&fref=nf

 

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Zurück im „besten Hotel Europas“ https://www.potsdam-konvoi.de/2017/10/zurueck-im-besten-hotel-europas/ Wed, 25 Oct 2017 13:15:45 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=901 „Zurück im „besten Hotel Europas““ weiterlesen

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Nach 3 Monaten sind wir wieder zurück in Athen. Unsere ersten Schritte gehen ins City Plaza Hotel, wo wir schon zuvor fünf Monate gelebt und unterstützt haben. Auf den ersten Blick scheint alles beim Alten zu sein. Die selben Bilder, viele bekannte Gesichter und ein buntes Durcheinander. Doch schon bei den ersten Gesprächen mit bekannten Menschen erfahre ich, dass es einige Veränderungen gibt.

Viele Menschen, die das Hotel mit eröffnet haben, sind illegal oder legal in andere europäische Länder gegangen um dort zu versuchen eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Danach, so sagen es die Meisten, wollen sie wieder zurück ins City Plaza. Ich selbst habe vor drei Monaten einen Jungen besucht, der es allein geschafft hat in den Norden Europas zu gehen. Er erzählt mir von seinem Weg, den er illegal und allein gehen musste und auch, dass er noch nie so viel gelacht hat, wie im City Plaza. Er ist fünfzehn und ich bin beeindruckt von seiner Art zu erzählen, was seine Tricks waren und was er erlebt hat. Auch er träumt von dem Tag wieder nach Athen zu können und in der „City-Plaza-Familie“ zu leben und zu helfen. Auch eine andere Mutter erzählt mir freudestrahlend, dass ihre älteste, 12-jährige Tochter nun allein in Deutschland ist. Nach einem längeren Gespräch erfahre ich, dass sie eigentlich mitwollte, aber die Mafia, der sie fast all ihr Geld gegeben haben, am Flughafen nur die Tochter mitgenommen hat. Trotzdem ist all die Hoffnung nun auf dem Mädchen die Eltern und drei jüngere Geschwister nachholen zu können. Doch auch der Junge, den ich besuchte erzählte mir, dass der Druck, die Familie nachzuholen gross ist, da der Prozess so lang dauert und ungewiss ist. Ich schlucke, denn ich weiss, dass sie aus Afghanistan kommen und dadurch ihre Chancen nicht gut sind. Direkt am ersten Tag in Athen spricht mich ein Mann auf deutsch an, er kann besser deutsch als englisch, der letzte Weihnachten noch in Frankfurt am Main gelebt hat seid mehreren Jahren und dann vor einigen Monaten nach Afghanistan abgeschoben wurde. Er ist jetzt schon wieder hier. Er versucht es nochmal. Das sind nur wenige der vielen Geschichten aus meinen ersten Tagen.

Die Zimmer im City Plaza sind trotzdem noch voll und auf der Warteliste stehen weiterhin über tausend Menschen, mit der Hoffnung auf eine bessere Unterkunft, denn sobald eine Familie auszieht gibt es eine nächste, die bereit ist ein Zimmer zu übernehmen. City Plaza bleibt weiterhin eine der besten Möglichkeiten in und um Athen, in menschenwürdigen Umständen zu leben.

https://www.facebook.com/sol2refugeesen/?fref=mentions&pnref=story (25.10.2017)

Es gibt Zimmer mit höchstens vier Betten und für jedes Zimmer ein Bad mit neuerdings warmem Wasser. Es gibt drei Malzeiten am Tag, die von allen selbst zubereitet werden. Es gibt regelmässige Hausversammlungen, in denen Fragen und Sorgen geklärt werden können. Die „international Solidarians“ und „Residents“  kreieren tolle Angebote für alle und das Hotel befindet sich im Stadtzentrum, was eines der wichtigsten Merkmale ist. Somit sind die Menschen, die hier leben nicht abgeschotten irgendwo, wo sonst niemensch sie sieht und es nichts zu tun gibt.

 

„Es ist so ruhig hier.“ höre ich, als ich vor der Rezeption stehe und tatsächlich, im Vergleich zu den Monaten, die wir schon hier verbrachten, ist es ruhig und entspannt. Dafür gibt es zwei Gründe: Es sind weniger Freiwillige da, als in der Sommer-/Ferienzeit  und , noch viel wichtiger, die Kinder gehen jetzt tagsüber fast alle in Schulen. „In zehn Minuten kommen sie wieder.“ seufzt einer der Menschen hinter der Rezeption, während er auf die Uhr schaut, die 14:00 anzeigt. Kurz darauf kommen die Kinder, die die Hälfte der Menschen sind, die hier leben, mit Rucksäcken und voller Energie wieder. Es gibt mehrere Schulen für sie, tagsüber und abends. Danach ist das Leben wieder um einiges lauter hier. Vor dem Haus fahren die Kinder mit Fahrrädern hin und her, die in den vergangenen Monaten gesammelt wurden und die Flure werden auf verschiedenste Art und Weisen bespielt. Die meisten der Kinder sind ziemlich froh und aufgeregt in die Schule gehen zu können, da es spannender ist und sie wissen, wie wichtig das sein kann.

Ich bin froh wieder hier zu sein. Von bekannten wurde ich freudig begrüsst und von neuen Menschen warm willkommen geheissen. Hier spielen Respekt und Würde die grösste Rolle im Umgang miteinander. Hier kann ich spüren, dass das Zusammenleben von über zwanzig Nationalitäten, oft ohne gemeinsame Sprache, möglich ist. Hier sehe ich was für eine Fiktion Ländergrenzen sind. Hier erfahre ich, dass die Medien zwar immer weniger darüber berichten, aber noch immer tausende von Menschen aus vielen Ländern in Griechenland feststecken, mit der Hoffnung ihre Familie wiederzusehen und eine Zukunft für sich und ihre Kinder aufzubauen.

https://sea-watch.org/en/open-the-islands/  (25.10.2017) Letztes Jahr starben zu viele Menschen im Winter auf Grund der unmenschlichen Unterbringung, in den Zeltlagern, auf den Inseln, von denen sie nicht erlaubt sind auf das Festland zu gehen.

Allein auf den Inseln sind es zur Zeit rund 15.000 Menschen und die Anzahl der ankommenden Boote ist diesen Monat wieder auf einer Rekordhöhe mit zwei bis vier Booten täglich, was doppelt so viel ist, wie im August.

 

Jetzt wird das Projekt City Plaza eineinhalb Jahre alt und hat sich bisher nur aus privaten spenden finanziert, ohne Unterstützung vom Staat oder Non-Government-Organisations (NGO’s). Es ist für das Hotel wichtig weiterhin komplett unabhängig zu bleiben, um so bestehen bleiben zu können.

 

Doch das Geld wird immer knapper, desswegen hier der Link zu der Spendenkampgne und die Bitte dies an Freunde und Bekannte weiterzugeben: https://best-hotel-in-europe.eu/

 

 

 

 

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Duschen? https://www.potsdam-konvoi.de/2017/08/duschen/ Wed, 02 Aug 2017 10:41:53 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=865 „Duschen?“ weiterlesen

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Schüchtern fragen wir nach 2 Tagen, wo wir auf dem Gelände eine Dusche nehmen können. Daraufhin bekommen wir nur ein Achselzucken und den Blick aufs Meer als Antwort. Doch dieses ist noch sehr kalt, voller Seeegel und Schlauchbootmüll und bietet keine Privatsphäre. Wir beschließen, eine Dusche zu bauen. Aus einem alten Gestell, das in unserem Container als Bettengerüst dient, flexen wir das Gerüst der Dusche, das wir auf alte Holzpaletten stellen. Eine zuvor als Schattenspender fungierende grüne Plane wird zum Duschvorhang. Ein Prinzip von NBK lautet: Nur das aller Nötigste wird gekauft. Ein ehemaliger Klempner installiert Wasser und Duschkopf und der Duschspaß kann beginnen. Unsere Konstruktion wird von allen Vorbeikommenden freudig kommentiert. Später erklären sie uns, dass sie zum Duschen sonst ins Camp fahren müssen, das sie eigentlich meiden. Nun gibt es im Squat wenigstens eine Dusche für über 100 Menschen.

!UPDATE!

Momentan befinden sich viele Aktivist_innen in Moria und außerhalb im Hungerstreik. Die Polizei geht mit äußerster Härte gegen sie vor. Die Situation auf Lesbos ist skandalös: https://noborderkitchenlesvos.noblogs.org/post/2017/07/30/749/

Wir solidarisieren uns mit den Protestierenden und verurteilen die Polizeigewalt auf das Schärfste!

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Schlauchbootmüll https://www.potsdam-konvoi.de/2017/05/schlauchbootmuell/ Tue, 16 May 2017 14:31:57 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=863 „Schlauchbootmüll“ weiterlesen

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Unsere 1. Aufgabe wird es sein, den eigentlich wunderschönen Strand und die angrenzende mit Olivenbäumen bestückte Wiese, die auch zum besetzten Gelände gehören, vom Müll zu befreien. Wir schnappen uns Müllsäcke und Handschuhe und gemeinsam mit ein paar motivierten Flüchtenden reinigen wir das Gelände. Dabei stoßen wir auf unzählige Teile ehemaliger Schlauchboote, die überall verstreut liegen. Dazu finden wir Rettungswesten, zerfetzte Kleidungsstücke, einzelne Schuhe, Essensverpackungen und viel mehr. Einige Überreste müssen schon sehr lange am Strand liegen, denn in den Unmengen an Müll sammeln sich auch viele Würmer und andere Insekten. Es wird einige Tage dauern, bis der ganze Müll und die vielen zerstückelten Schlauchboote in Säcken verpackt an der Straße stehen, wo sie von der Müllabfuhr abgeholt werden können. Wir sind motiviert und bauen zusätzlich mit anderen helfenden Händen Mülleimer und malen Schilder auf Englisch, Farsi und Arabisch, die dazu aufrufen, diese auch zu benutzen. Sonntags und bei schönem Wetter kommen hier nun wieder gerne viele Menschen, darunter Familien und Kinder, zusammen. Entgegen der Prophezeiung der alteingesessenen Freiwilligen bleibt das Gelände sauber, was das Wohlbefinden im Squat erhöht und für allgemeine Freude sorgt.

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NBK https://www.potsdam-konvoi.de/2017/05/nbk/ Thu, 11 May 2017 17:13:49 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=861 „NBK“ weiterlesen

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Anders als erwartet kümmert sich No Border Kitchen (NBK) nicht (nur) um die Nahrungsversorgung an Flüchtende auf Lesbos, sondern übernimmt auch viele weitere, zwingend notwendige Aufgaben.

Auf dem Gelände, auf dem wir wohnen, befindet sich ein Social Centre. Hier gibt es eine Küche, in der die NGO Swisscross das Mittagessen für die Menschen zubereitet. Zur Essensverteilung kommen neben den Bewohner_innen der Squats auch Menschen aus dem benachbarten Familiencamp Kara Tepe zum gemeinsamem Speisen. Das Abendessen bereitet ein kleines Kochteam von NBK ein paar Kilometer weiter, im sogenannten Bluehouse, zu. Darüber hinaus werden Foodboxen, also Kisten mit Obst, Gemüse, Brot, Müsli Klopapier (je nach dem, was gespendet wurde) zusammengepackt. Diese werden an andere Squats, die keine eigene Küche haben und sich nicht selber versorgen können, Obdachlose und Roma auf der Insel verteilt.

Außerdem verfügt der NBK-Squat über einen kleinen Storage voller Klamotten und anderen Sachspenden. Täglich kommen Menschen hier her, um passende Kleidungsstücke zu finden oder sich Werkzeuge, Reinigungsmittel, Zucker, Chai, Binden etc. zu nehmen. Trotz des riesigen Warehouses Attica, welches nicht weit entfernt vom Squat entfernt ist, benötigt das Social Center mehr Spenden, um den Großteil der Menschen hier mit dem Nötigsten zu versorgen.

Regelmäßig kommen auch Ärzt_innen in das Social Center, doch die Bedingungen unter denen sie arbeiten erinnern kaum an die uns bekannten sterilen Behandlungszimmer. Viele Menschen müssten in Krankenhäuser gebracht werden, doch sie haben Angst, dass eine professionellere ärztliche Behandlung zu Abschiebungen führen kann. So leben viele mit ihren Verletzungen und Krankheiten ohne angemessene ärztliche Fürsorge. Der Behandlungsraum ist gleichzeitig auch die Schule im Squat, doch fehlt es an Helfenden, die Unterricht anbieten.

UPDATE: NBK ist momentan in großen Schwierigkeiten. Die polizeiliche Repression nimmt unglaubliche Ausmaße an und es mangelt an helfenden Händen. Genaueres unter:

https://noborderkitchenlesvos.noblogs.org/

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Inselrealität https://www.potsdam-konvoi.de/2017/04/inselrealitaet/ Mon, 24 Apr 2017 21:05:44 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=834 „Inselrealität“ weiterlesen

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Umgeben von reichen Urlauber_innen fahren wir mit der Fähre von Athen nach Lesbos. Wir fühlen uns fremd und unwohl. Trotz Bilder und Erfahrungsberichten können wir uns nicht wirklich ausmalen, was auf dieser Insel auf uns zukommen wird. Noch viel weniger können wir uns vorstellen wie es sich richtig anfühlen kann, Urlaub auf einer Insel zu machen, auf der Tausende von Flüchtende unter miserablen Zuständen seit Monaten, einige seit über einem Jahr, festsitzen. Insgesamt sind auf den Ägäischen Inseln über 15.000 Flüchtende gefangen. (Quelle: Pro Asyl)

Etwa 12 Stunden dauert die Überfahrt von Athen und als wir ankommen, sehen wir in naher Entfernung schon die die Türkei. Doch zunächst springt uns das Frontex-Schiff mit der Aufschrift „BORDER PROTECTION“ ins Auge. Ein netter Name für das, was sie tun, wie Menschen in überfüllten Schlauchbooten am Anlegen zu hindern.

Als wir auf den Bus zur No Border Kitchen warten, treffen wir einen Flüchtenden, der für seinen 1. Interviewtermin ins Moria-Camp fährt. Leben möchte und kann er dort nicht, die Bedingungen sind so schrecklich, dass er es nicht aushält. In unserem Bus sitzen nur Flüchtende – Griech_innen nehmen andere Buslinien.

Als wir aussteigen und den NoBorder-Squat sehen, können wir es kaum glauben.

Etwas aufgeregt und ein wenig stolz zeigt uns einer der Helfenden, der seit knapp einem Jahr dort lebt, das Gelände, das aus 2 großen und einer etwas kleinere Ruine besteht. Nur eine kleine Olivenbaumplantage trennt den Squat vom Meer. Etwa 100 Flüchtende und einige Europäer_innen leben hier und im ersten Moment fühlen wir uns sehr unwohl mit der Vorstellung, dass das auch erstmal unser Zuhause sein wird. Wir schlafen mit 6 anderen in einem kleinen muffigen Container auf dem Dach des Hauptgebäudes. Je nach Herkunftsland teilen sich die Flüchtenden die Gebäude untereinander auf. Anfangs sind wir geschockt von den Umständen und der Tatsache, dass nur Männer* hier leben. Wir haben auch ein bisschen Angst. Doch schon ein paar Stunden später ist der erste Schock verdaut und wir haben uns schnell an die Umstände gewöhnt.

Es fühlt sich falsch an, dass die Flüchtenden hier wie in einem Gefängnis festsitzen und wir jederzeit den Squat und die Insel verlassen können. Wenn die Flüchtenden versuchen, die Fähre zu nehmen, kommen sie zunächst ins Gefängnis des Moria-Camps. Ein Flüchtender zeigt mir seine Narben von den Misshandlungen der griechischen Polizei, die zu fünft auf ihn einschlugen und -traten und ihm dort Brust und Bein brachen. Anschließend werden sie in die Türkei abgeschoben, wo sie für etwa 1 Jahr inhaftiert werden, bis sie in ihre Heimatländer deportiert werden. Wenn sie beispielsweise aus Marokko kommen, werden sie auch dort nochmal für 2 Jahre ins Gefängnis gesteckt. Ein Marokkaner zeigt bei einem Gespräch weitere Narben. Die Polizei hat brennende Zigaretten auf seinen Armen ausgedrückt. Als er sich weigerte, sich Handschellen anlegen zu lassen, versuchten sie ihm die Hände abzuschneiden. Unfassbar und kein Einzelfall. „Sie hätten ihr Heimatland ja nicht verlassen und später nicht versuchen müssen, eine Fähre zu betreten…!“ Flüchtende aus Marocco und Algerien haben keine Chance auf Asyl in Europa.  Und sogar Menschen aus dem von Taliban terrorisierten Afghanistan wird kaum noch kein Bleiberecht gewährt. Ihnen bleibt nur, den illegalisierten Weg mit großen Risiken zu versuchen oder viele Monate lang auf ihre Abschiebung zu warten.

zur Situation in Afghanistan: Afghanistan ist nicht sicher!

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Birthday Club https://www.potsdam-konvoi.de/2017/04/birthday-club/ Mon, 10 Apr 2017 11:33:23 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=817 „Birthday Club“ weiterlesen

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Wir stehen in einer kleinen Bäckerei in Kalochori und suchen eine Torte für die 10-jährige Lavrin* aus, die heute Geburtstag hat. Anschließend kaufen wir ihr noch ein Geschenk, bevor wir dann als Clown, Tweety und Schlumpfine verkleidet, mit weiteren Kostümen für die Kinder im Gepäck, an die Tür klopfen.
7 Kinder kommen uns aufgereget entgegen gerannt und gemeinsam feiern wir mit Luftschlangen, Luftballons, Twister und Prinz_essinenkronen Geburtstag. Die meisten der ebenfalls heute anwesenden Kinder kennen sich noch aus dem ehemaligen Camp Kalochori, andere aus der neuen bzw. vorrübergehenden Nachbarschaft. Kein Kind wird vergessen und jede_r von ihnen bekommt eine kleine Geburtstagsüberraschung. Es sind viele Gäste da und auch die Erwachsenen schnappen sich schüchtern einige Kostüme und haben Spaß. Ein geflüchteter Freiwilliger übersetzt und gemeinsam verbringen wir einen lustigen Nachmittag fernab vom ewigen Warten aufs Weiterkommen, das den Alltag der Familien sonst so prägt. Das Ganze geschieht im Rahmen des Projekts „Birthday Club“. Dieser soll es Kindern auf der Flucht ermöglichen, trotz mitunter miserabler Zustände einen „ganz normalen“ Geburtstag feiern zu können.
*Namen geändert
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Dann erzählt er uns seine Geschichte… https://www.potsdam-konvoi.de/2017/04/dann-erzaehlt-er-uns-seine-geschichte/ Fri, 07 Apr 2017 22:12:29 +0000 https://www.potsdam-konvoi.de/?p=814 „Dann erzählt er uns seine Geschichte…“ weiterlesen

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Wir sind zurück in Kalochori, in der Nähe von dem Camp, in dem wir im Herbst halfen. Das Camp ist inzwischen geräumt und die Menschen in Wohnungen oder Hotels untergebracht, wo sie auf ihre Umsiedlung in ein anderes Land warten. Doch vorher müssen sie 3 Interviewtermine wahrnehmen, in denen sie nach allem gefragt werden – sogar, was ihr Lieblingsessen ist. Viele warten seit über einem Jahr auf die Nachricht, dass sie relocated werden. Innerhalb von einer Woche müssen sie dann meist nach Athen, von wo aus sie in ein anderes Land geschickt werden. Währenddessen warten die illegalisierten Menschen in verwitterten Ruinen auf Möglichkeiten, irgendwie weiter zu kommen. Werden sie erwischt, wird ihnen alles abgenommen und sie werden zurück geschickt. Bei den Räumungen der Spots, an denen sich die obdachlosen Flüchtenden sammeln, werden auch viele verhaftet.

Ein Flüchtender zeigt uns Bilder aus dem Winter, als noch viele Menschen in Camps untergebracht waren. Eine 10cm dicke Schneedecke liegt auf den Zelten, die teilweise draußen stehen und kaum wasserdicht sind. Dann erzählt er uns seine Geschichte. Der IS hat 2014 sein gesamtes Dorf gefangen genommen. Er sah, wie Babys, Mütter, Schwangere und Alte ermordet wurden. Er war sich sicher, er würde auch sterben. Tagelang haben die Gefangenen nur eine Scheibe Brot am Tag und ein Glas Wasser zu essen und trinken bekommen. Als ich frage, ob sie ihm weh getan hatten, antwortete er nur: „Oh ja.“ Der IS erzählte seiner Freundin, er sei tot. Doch er floh, versteckte sich tagelang in einem Hühnerstall, wanderte ohne Nahrung oder Wasser durch verlassenes Gebirge, bis er schließlich die Grenze erreichte. Doch seine Freundin hat inzwischen geheiratet und es nach Deutschland geschafft. Kurz danach starben seine Eltern. Um seinen Vater vor dem Krebs zu retten und sich die Chemotherapie leisten zu können, verkaufte er all sein Hab und Gut. So verlor er alles, was er hatte. Mit einem angedeuteten Schmunzeln zeigt er auf seine seit der Gefangenschaft dünnen Arme und meint: „Sogar die Muskeln nahmen sie mir“. Trotzdem lacht er viel und wirkt glücklich. Ich frage ihn, ob er seine Geschichte manchmal vergessen kann. Er verneint es. Nach all dem, was er erlebt hat, glaub er auch nicht mehr an Gott. Aber er ist stark, sagt er. Heute ist er selbst Freiwilliger, übersetzt und organisiert Geburtstagspartys für Kinder auf der Flucht. Doch auch er wartet seit über einem Jahr auf seine Relocation. Bald hat er seinen letzten Interviewtermin, bei dem er erfahren wird, in welches Land er geschickt wird.

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