Contentnote: Der folgende Text setzt sich mit der Flucht und der
Situation von Geflüchteten in Bihać in Bosnien auseinander. Es werden
Themen wie Folter und sexuelle Gewalt angesprochen.
Es ist und bleibt- RESPECT EXISTENCE OR EXPECT RESISTANCE
Wieso Bosnien- Herzigowina und wieso Bihać?
Bosnien- Herzigowina liegt auf der sogenannten Balkanhalbinsel. Die
Nachbarstaaten sind im Nordwesten Kroatien, im Osten Serbien und in
Süden Montenegro. Bosnien-Herzigowina liegt als Staat demnach vor der
EU- Außengrenze, die an dieser Stelle Europas zwischen Kroatien und
Bosnien verläuft. Wie Ungarn, hat auch Kroatien im Jahr 2016 seine
Grenzen geschlossen und so wurde Bosnien-Herzigowina unfreiwilliger
Lebensort vieler Menschen auf der Flucht.
Die Gemeinde Bihać liegt im Nordwesten Bosniens und Herzigowinas. 25
Kilometer gen Osten, erhoben auf dem Gebirgszug Plješevica verläuft die
kroatische Grenze.
Bihać ist eine kleine Gemeinde mit etwa 56.000 Einwohner*innen. Seit
2015 führt die sogenannte Balkanroute vermehrt durch Bosnien-Herzigowina
und Bihać. Von dort aus beginnt der letzte Abschnitt der Fluchtroute bis
in die EU- ein Fußmarsch von 14 Tagen bis nach Italien.
Wie leben PoM in Bihać?
In und um Bihać gibt es mehrere kleine offizielle Camps für Familien und
Minderjährige. Das Hauptcamp, auch für junge und ältere Männer in der
Region, ist jedoch das Camp Lipa. Das Camp Lipa liegt etwa 25 km von
Bihać entfernt und befindet sich derzeit im Wiederaufbau nach dem Brand
im Dezember 2020. Erzählungen zu Folge, gibt es dort kein fließendes
Wasser. Die hygienische Situation vor Ort ist sehr schlecht. Die
medizinische Versorgung ist unzureichend. Der Strom im Camp wird nach
wie vor mit Generatoren erzeugt. Viele Menschen beklagen eine mangelnde
Essensversorgung. Neben den nicht abgedeckten Grundbedürfnissen, wird
den PoM*People on the Move zusätzlich durch Ausgangssperren und
Schikane durch das Aufsichtspersonal zugesetzt. Regelmäßig werden bei
Räumungen in Bihać, die Menschen unfreiwillig ins Camp Lipa gebracht.
Die Meisten von ihnen laufen jedoch sofort die 25 Kilometer zurück nach
Bihać.
In und um Bihać leben je nach Saison zwischen 1000 und 2000 Menschen
außerhalb von Camps. Die dort verweilenden Menschen sind vorwiegend
Jugendliche und Männer und kommen überwiegend aus Pakistan und
Afghanistan. Viele von ihnen sind vor Monaten, teils Jahren in den
Ländern aufgebrochen. Sie ertragen widrige Lebensbedingungen in
provisorischen Zelt- und Planenunterkünften sowie in zerfallenden
Häusern in und um das Stadtzentrum. Viele Menschen teilen sich in
Bauruinen und Zelten alte Decken und Schlafsäcke. Fließend Wasser und
Strom gibt es auch außerhalb der Camps nirgendwo.
Die Trinkswasserversorgung wird durch wenige solidarische Nachbar*innen
sowie den Kollektiven vor Ort getragen. Jeden Tag werden 500 Liter
Wasser in die Wälder außerhalb des Stadtzentrums gebracht. Zwei
Kollektive verteilen jeden Tag Essenstüten mit Reis, Mehl, Milch und
weiteren Zutaten, damit die Gruppen über dem Feuer essen kochen können.
Es können ca. 100 Tüten verteilt werden. Auch andere private Personen,
Gruppen oder Organisationen verteilen in unregelmäßigen Abständen Essen
oder Hygieneartikel.
Durch die schlechten hygienischen Bedingungen in den provisorischen
Unterkünften leiden viele PoM an Hautkrankheiten wie Krätze, an
Magen-Darm-Erkrankungen, Erkrankungen der oberen Atemwege und
Zahnschmerzen. Dazu kommen andauernde Schmerzen in den Knien und Füßen
aufgrund der langen und beschwerlichen Fluchtwege zu Fuß. Vielen klagen
aber auch über starke Ganzkörperschmerzen. Wenn People on the Move durch
Pushbacks aus Kroatien zurück gedrängt werden weisen sie auch Hämatome
von Schlagstöcken der Grenzpolizei auf.
Pushbacks aus Slowenien und Kroatien?
Auf dem Weg nach Italien müssen die Menschen durch Kroatien und
Slowenien, wir treffen täglich Gruppen, die uns von gewaltsamen
Puchbacks berichten. Werden die PoM auf dem Weg von der Polizei
aufgegriffen, wird vielen von ihnen alles weggenommen was sie dabei
haben- Bargeld, Telefone, Taschen, Rucksäcke und teils Kleidung werden
verbrannt. Es kommt noch schlimmer, Menschen berichten von Folter und
sexuellen Übergriffe durch Repressionsorgane. So erzählte eine
Pushback-Gruppe, dass sie zu zehnt bei 35 Grad Außentemperatur in einem
fensterlosen Transporter mit Pfefferspray angegriffen und für mehrere
Stunden gesperrt wurden. Andere gläubige Muslime berichteten wiederum,
dass sie gezwungen wurden Schweinefleisch zu konsumieren. Ein Bruchteil
der Menschen, die den teuren Versuch nach Europa zu kommen wagen,
schaffen es tatsächlich, der Großteil verharrt jedoch Monate oder Jahre
in Bihać und haben es auch nach dem 20ten Versuch noch nicht nach Europa
geschafft um dort einen Asylantrag zu stellen.
Was den Menschen auf dem Weg nach Europa täglich angetan wird, macht
sprachlos. Darf es aber nicht. Narrative müssen weiter an die mediale
Öffentlichkeit getragen werden, damit in der EU nicht weiter so getan
werden kann, als gäbe es keine Grundrechtsverletzungen an den
Außengrenzen der Festung. Denn es gibt sie.
Wir fordern endlich eine Ende dieser menschenverachtenden
Abschottungspolitik. Es bleibt der Kampf für eine Welt ohne Grenzen!
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