Fight Fortress Europe | Leave no one behind | Fight Fortress Europe | Leave no one behind | Fight Fortress Europe |

Contentnote: Der folgende Text setzt sich mit der Flucht und der
Situation von Geflüchteten in Bihać in Bosnien auseinander. Es werden
Themen wie Folter und sexuelle Gewalt angesprochen.

Es ist und bleibt- RESPECT EXISTENCE OR EXPECT RESISTANCE

Wieso Bosnien- Herzigowina und wieso Bihać?

Bosnien- Herzigowina liegt auf der sogenannten Balkanhalbinsel. Die
Nachbarstaaten sind im Nordwesten Kroatien, im Osten Serbien und in
Süden Montenegro. Bosnien-Herzigowina liegt als Staat demnach vor der
EU- Außengrenze, die an dieser Stelle Europas zwischen Kroatien und
Bosnien verläuft. Wie Ungarn, hat auch Kroatien im Jahr 2016 seine
Grenzen geschlossen und so wurde Bosnien-Herzigowina unfreiwilliger
Lebensort vieler Menschen auf der Flucht.

Die Gemeinde Bihać liegt im Nordwesten Bosniens und Herzigowinas. 25
Kilometer gen Osten, erhoben auf dem Gebirgszug Plješevica verläuft die
kroatische Grenze.
Bihać ist eine kleine Gemeinde mit etwa 56.000 Einwohner*innen. Seit
2015 führt die sogenannte Balkanroute vermehrt durch Bosnien-Herzigowina
und Bihać. Von dort aus beginnt der letzte Abschnitt der Fluchtroute bis
in die EU- ein Fußmarsch von 14 Tagen bis nach Italien.

Wie leben PoM in Bihać?

In und um Bihać gibt es mehrere kleine offizielle Camps für Familien und
Minderjährige. Das Hauptcamp, auch für junge und ältere Männer in der
Region, ist jedoch das Camp Lipa. Das Camp Lipa liegt etwa 25 km von
Bihać entfernt und befindet sich derzeit im Wiederaufbau nach dem Brand
im Dezember 2020. Erzählungen zu Folge, gibt es dort kein fließendes
Wasser. Die hygienische Situation vor Ort ist sehr schlecht. Die
medizinische Versorgung ist unzureichend. Der Strom im Camp wird nach
wie vor mit Generatoren erzeugt. Viele Menschen beklagen eine mangelnde
Essensversorgung. Neben den nicht abgedeckten Grundbedürfnissen, wird
den PoM*People on the Move  zusätzlich durch Ausgangssperren und
Schikane durch das Aufsichtspersonal zugesetzt. Regelmäßig werden bei
Räumungen in Bihać, die Menschen unfreiwillig ins Camp Lipa gebracht.
Die Meisten von ihnen laufen jedoch sofort die 25 Kilometer zurück nach
Bihać.

In und um Bihać leben je nach Saison zwischen 1000 und 2000 Menschen
außerhalb von Camps. Die dort verweilenden Menschen sind vorwiegend
Jugendliche und Männer und kommen überwiegend aus Pakistan und
Afghanistan. Viele von ihnen sind vor Monaten, teils Jahren in den
Ländern aufgebrochen. Sie ertragen widrige Lebensbedingungen in
provisorischen Zelt- und Planenunterkünften sowie in zerfallenden
Häusern in und um das Stadtzentrum. Viele Menschen teilen sich in
Bauruinen und Zelten alte Decken und Schlafsäcke. Fließend Wasser und
Strom gibt es auch außerhalb der Camps nirgendwo.

Die Trinkswasserversorgung wird durch wenige solidarische Nachbar*innen
sowie den Kollektiven vor Ort getragen. Jeden Tag werden 500 Liter
Wasser in die Wälder außerhalb des Stadtzentrums gebracht. Zwei
Kollektive verteilen jeden Tag Essenstüten mit Reis, Mehl, Milch und
weiteren Zutaten, damit die Gruppen über dem Feuer essen kochen können.
Es können ca. 100 Tüten verteilt werden. Auch andere private Personen,
Gruppen oder Organisationen verteilen in unregelmäßigen Abständen Essen
oder Hygieneartikel.

Durch die schlechten hygienischen Bedingungen in den provisorischen
Unterkünften leiden viele PoM an Hautkrankheiten wie Krätze, an
Magen-Darm-Erkrankungen, Erkrankungen der oberen Atemwege und
Zahnschmerzen. Dazu kommen andauernde Schmerzen in den Knien und Füßen
aufgrund der langen und beschwerlichen Fluchtwege zu Fuß. Vielen klagen
aber auch über starke Ganzkörperschmerzen. Wenn People on the Move durch
Pushbacks aus Kroatien zurück gedrängt werden weisen sie auch Hämatome
von Schlagstöcken der Grenzpolizei auf.

Pushbacks aus Slowenien und Kroatien?

Auf dem Weg nach Italien müssen die Menschen durch Kroatien und
Slowenien, wir treffen täglich Gruppen, die uns von gewaltsamen
Puchbacks berichten. Werden die PoM auf dem Weg von der Polizei
aufgegriffen, wird vielen von ihnen alles weggenommen was sie dabei
haben- Bargeld, Telefone, Taschen, Rucksäcke und teils Kleidung werden
verbrannt. Es kommt noch schlimmer,  Menschen berichten von Folter und
sexuellen Übergriffe durch Repressionsorgane. So erzählte eine
Pushback-Gruppe, dass sie zu zehnt bei 35 Grad Außentemperatur in einem
fensterlosen Transporter mit Pfefferspray angegriffen und für mehrere
Stunden gesperrt wurden. Andere gläubige Muslime berichteten wiederum,
dass sie gezwungen wurden Schweinefleisch zu konsumieren. Ein Bruchteil
der Menschen, die den teuren Versuch nach Europa zu kommen wagen,
schaffen es tatsächlich, der Großteil verharrt jedoch Monate oder Jahre
in Bihać und haben es auch nach dem 20ten Versuch noch nicht nach Europa
geschafft um dort einen Asylantrag zu stellen.

Was den Menschen auf dem Weg nach Europa täglich angetan wird, macht
sprachlos. Darf es aber nicht. Narrative müssen weiter an die mediale
Öffentlichkeit getragen werden, damit in der EU nicht weiter so getan
werden kann, als gäbe es keine Grundrechtsverletzungen an den
Außengrenzen der Festung. Denn es gibt sie.

Wir fordern endlich eine Ende dieser menschenverachtenden
Abschottungspolitik. Es bleibt der Kampf für eine Welt ohne Grenzen! 

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Migration ist kein Verbrechen

Ich bin Moment auf Lesbos bei einer NGO und kann, wenn ich den Hügel auf ́s Meer runter schaue, das RIC (Registration and Identification Center) Lesvos sehen, auch bekannt unter Mavrevouni, Karatepe 2 oder Moria 2. Vorher war ich fast drei Monate auf Chios. Ich war dort in Vial (so heißt das Camp dort) Cleaning Coordinator. Wir waren fast jede Woche bis zu dreimal beim Camp, um im inoffiziellen Teil und in den Feldern drum herum Müll zu sammeln. Die Camps haben etwas gemeinsam:

Hohe Zäune und viel Polizei; auf Lesbos sogar noch mehr als auf Chios.

In Chios gab es Polizeicheckpoints, die jede(n), der/die nach Migranten oder Migrantin aussah, kontrolliert haben und, wer keinen entsprechenden Schein hatte – durfte nicht weiter. Auf Lesbos kommt man gar nicht durch das Tor ohne entsprechenden Schein. Um einen solchen Schein zu bekommen, muss man sich schon sehr früh anstellen.

In Griechenland war letztes Wochenende Ostern: das Camp war abgeriegelt über mehrere Tage.

Die Camps gleichen jetzt schon Gefängnissen und trotzdem gibt es Pläne für „geschlossene Lager.“ Die Menschen sind stigmatisiert, auf ihren ID ’s prangt groß „Asylum Seeker“, selbst Neugeborene haben solche Karten.

MIGRATION IS NOT A CRIME!

Es gibt keine Chance auf Bildung für die vielen, vielen Kinder… stattdessen haben auf Chios die Kinder im Müll mit Müll gespielt. Es kann dort kein würdevolles Leben für die Menschen geben und deshalb gehören sie evakuiert und die Camps abgeschafft.

Ich schäme mich für die Bundesregierung und für dieses Europa.

Es macht mich wütend und wir alle stehen hier, um zu rufen:

„Das ist nicht in unserem Namen.“

Überhaupt ist ein würdevolles Leben in Griechenland für Geflüchtete momentan nur schwer möglich. Mit anerkanntem Status verlieren die Menschen das Recht in den Camps zu leben und nach 30 Tagen bekommen sie keinerlei finanzielle Unterstützung mehr. Nicht selten bauen sie sich einen Shelter neben den Camps. Andere verlassen die Inseln Richtung Festland und sind dort plötzlich obdachlos. Es gibt so gut wie keine Strukturen, die diese Menschen auffangen. Wer Glück hat, landet in einem Projekt, das für 6 Monate die Miete zahlt, danach gibt es nichts. Einem Freund von mir geht es so. Er ist mit seiner Frau und seiner 3jährigen Tochter in Athen. Mitte Juni läuft das Programm aus und er sagte, dass sie dann wieder in ein Camp müssen. Es gibt keine Arbeit für die vielen Menschen, um sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es ist bittere Ironie, dass Menschen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wurde, sich als einzige Möglichkeit wieder in die katastrophalen Zustände der Camps flüchten. Das zeigt, wie verzweifelt sie sind.

So lassen sich auch die Berichte vom Festland verstehen, als die BewohnerInnen gegen die geplante Schließung ihres Camps in der Nähe von Korinth protestierten. Wenn der griechische Staat sich nicht mehr um diese Menschen kümmern kann oder möchte – gibt es in Deutschland 246 sichere Häfen. Städte und Kommunen, die bereit sind, Menschen aufzunehmen.

Wir fordern weiterhin ein Ende dieser Blockadehaltung.

Ich habe gelesen, dass Brandenburg aus der letzten Gruppe besonders hilfsbedürftiger Geflüchteter (insgesamt 103 Menschen) neun aufnimmt. Insgesamt wurden nach dem Brand von Moria 75 Menschen nach Brandenburg geholt… 2750 gesamt in die Bundesrepublik…

Das ist Symbolpolitik und nicht genug!

In der letzten Woche wurden ca. 500 besonders schutzbedürftige Menschen (chronisch und psychisch Kranke, aber auch sehr alte Menschen) von Karatepe 1, wo sie pro Familie in einem Container leben konnten, nach Mavrevouni gebracht, wo es nur Zelte gibt. Die Menschen haben wenige Stunden vorher erst davon erfahren und die Transporte fanden zu einer Zeit statt, in der hier noch Ausgangssperre herrschte. Einige Menschen mussten den ganzen Tag ohne Essen und ohne Obdach darauf warten, einen Platz zugewiesen zu bekommen. Ein Mann hat sich wenige Stunden, nachdem er in dem neuen Camp ankam, mit einem Stein selbst den Schädel eingeschlagen und musste ins Krankenhaus.

Hier wurde endlich ein Camp geschlossen, aber die richtige Konsequenz wäre gewesen, diese Menschen direkt zu evakuieren, stattdessen wurden sie ins viel schlimmere Karatepe 2 gebracht. Das Camp, wo sie laut Einschätzung der Ärzte nicht leben konnten und deshalb nach Karatepe1 kamen. Wir fordern endlich ein Ende dieser menschenverachtenden Politik.

Open the Borders! Evakuiert die Lager! Sofort!

Pascal Loerch

No Name Kitchen – Aktivismus in Serbien & Spendenaufruf

“Es war Mitternacht. Wir liefen durch einen Wald in Kroatien als die Polizei uns stoppte. Ich sagte ihnen, dass ich Asyl suche weil mein Leben in meinem Heimatland in Gefahr ist, aber sie lachten uns nur aus und begannen uns mit ihren Schlagstöcken zu verprügeln…“

Das ist die Geschichte von Idris, der an der kroatischen Grenze ohne Chance auf ein Asylverfahren oder überhaupt die Möglichkeit seinen Fall zu erklären, von der Polizei direkt nach Serbien zurückgedrängt wurde. Es ist eine von unzähligen Geschichten, denn diese sogenannten “Push backs“, die gegen europäisches Menschenrecht verstoßen, passieren im Balkan jeden Tag.
Menschen, die ihr Zuhause in Hoffnung auf ein sicheres Leben verlassen haben und meistens schon über Jahre unterwegs sind, werden so an der EU-Außengrenze verprügelt, von Polizeihunden attackiert, gezwungen sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Ihre Zelte werden verbrannt, ihre Handys zertrümmert.

Wir, die No Name Kitchen, sind eine kleine unabhängige Organisation, die an der serbisch-kroatischen Grenze arbeitet.
Wir unterstützen Menschen, die auf ihrem Weg nach Europa hier stecken geblieben sind mit warmen Mahlzeiten, Kleidung und medizinischer Hilfe. Außerdem zeichnen wir Fälle von Polizeigewalt an den Grenzen auf, um die Systematik die dahintersteckt für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Uns ist es wichtig, den Menschen mit denen wir arbeiten auf Augenhöhe zu begegnen und sie nicht als  hilfsbedürftige Masse, sondern als selbstbestimmte Individuen zu sehen.

Um unsere Arbeit hier am Laufen zu halten, würden wir uns super über einige gespendete Taler freuen! Zeigt euch solidarisch, kämpft mit für eine Welt ohne Grenzen, denn es ist nicht unser Recht zu entscheiden wer ein sicheres Leben verdient und wer nicht.

Viele liebe & solidarische Grüße aus Serbien! Fuck Borders! :)

Lilli

PIKPA & one happy family

  English version below

vom 17.november bis 20.dezember 2019 verbrachte ich einen monat als volunteer auf lesvos.
meine gründe, dort hinzugehen, waren klar und zogen mich stark dorthin. seit 2015 arbeitete ich vor allem – aber nicht ausschließlich – im schulkontext mit geflüchteten kindern und deren familien. ich leitete sogenannte willkommensklassen, organisierte und führte klassenfahrten und ausflüge durch, lernte schwimmen mit den kids und die angst vor dem wasser zu überwinden. es war eine bewegende zeit und ich fand meine arbeit sehr sinnvoll, vor allem deshalb, weil ich in den „willkommensklassen“ einen geschützten raum kreieren und gestalten konnte, in welchem die kids erst mal ankommen und sich langsam auf die neue situation, kultur und sprache einstellen
konnten, bevor sie mit dem straffen alltag in den regelklassen konfrontiert wurden, wo dann alles funktionieren musste. fast täglich kamen neue kinder dazu – aufgrund der großen „flüchtlingswelle“ 2015. von 2017-2018 leitete ich meine letzte klasse. dann war schluss. es kamen nur noch wenige neue familien an. der brauhausberg als übergangswohnheim wurde dicht gemacht. die wenigen kinder, die schulpflichtig bei betreten deutschen bodens wurden, wurden direkt in regelklassen gestopft. es „lohnte“ sich nicht mehr, für die wenigen extra klassen einzurichten. in kleinen temporären lerngruppen sollte nun alles gelernt werden – 2x 45 minuten pro woche. für mich war schnell klar, das ist ein tropfen auf dem heißen stein, der viel energie zieht, aber wenig effekt erzielt. damit verließ ich den schulkontext im juli 2019.

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Ein paar Zahlen

An der Nordküste auf Lesbos kamen seit dem neuen Jahr 271 Geflüchtete in 6 Booten an. Davon waren 141 unter 18 Jahre alt, 32 unbegleitete Miderjährige.

(Stand: 10.01.20)

Bericht Nordlesbos

Vom 21. Oktober bis 22. November 2019 arbeitete ich ehrenamtlich für vier Wochen an der Nordküste von Lesbos im Bereich der Flüchtlingshilfe.
In meiner ersten Nacht in Griechenland war ich gleich Bestandteil des Teams, das sich im Transitcamp um die Menschen kümmert, welche die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland geschafft haben. Insgesamt kamen in dieser Nacht zwei Boote an. Diese Überfahrten verlaufen längst nicht immer problemlos und so ist es keine Seltenheit, dass die Menschen nass ankommen. Auf dem ersten Boot war ein Mann mit einer leichten Unterkühlung. Ich half ihm aus den nassen Klamotten, wickelte ihn in eine Decke und brachte ihm trockene Kleidung. Das war der Beginn meiner freiwilligen Arbeit dort, die Erfahrungen werden mich sicher nicht mehr loslassen.
Nachdem dann alle Menschen mit Sachen, etwas zu essen und Tee versorgt waren, ging es gegen 5 Uhr wieder zurück in meine Unterkunft. Auf dem Weg dorthin ging mir das Erlebte durch den Kopf. Ich dachte an einen 60 jährigen Mann, der trotz Herzerkrankung diese Reise auf sich nahm und nun in diesem Zwischenlager versuchte, zur Ruhe zu kommen. Zuhause angekommen, aß ich eine Schale Müsli und legte mich kurz hin, bevor der nächste Ruf kam, dass ein Boot kommt. Also ging es zurück und das Prozedere startete erneut. Insgesamt waren nun 96 Menschen in diesem Lager. Als sie am Nachmittag mit einem Bus der Hellenic Coast Guard abgeholt wurden, war das etwas verstörend. Ich muss sagen, dass das was ich jetzt erzähle ein Einzelfall war und ich in der Folge solche Szenen so nicht mehr erlebte. Es begann damit, dass der Busfahrer bevor die Menschen in den Bus stiegen, Gummihandschuhe und Mundschutz anlegte. Scheinbar war es kein Widerspruch für ihn, trotzdem die umherstreunenden Hunde und Katzen dort zu streicheln. Meine Aufgabe war den Menschen eine Flasche Wasser mit auf den Weg zu geben. Ich stand also neben der hinteren Eingangstür des Busses, gab ihnen Wasser und wünschte ihnen „Viel Glück“ (auf Farsi: Mo´afagh Bashed). Einige waren gehetzt, andere bedankten sich, lächelten und verabschiedeten sich. Aber wie gesagt es waren 96 Menschen. Der Bus hatte 47 Sitzplätze. Ich hätte mir im Leben nicht vorstellen können, dass alle dort hinein passen. Zumal auch viele große Plastiksäcke mit der gesamten Habe mit mussten. Der Busfahrer schrie und drückte die Menschen auf sehr grobe Weise hinein. Am Ende gelang es tatsächlich die Tür zu schließen. Ich blickte in die Gesichter der Menschen einige lächelten noch und grüßten, andere – besonders die Mütter – blickten sehr besorgt. Es war eine unwirkliche Situation. Ich und die anderen Volunteers winkten ihnen zu, aber im Gedanken war ich sehr zerrissen. Denn ich wusste, dass es für sie nach Moria* geht. Auch wenn ich es zu diesem Zeitpunkt nur von Bildern und Zeitungsartikeln kannte und es mehr eine Vorstellung denn ein klares Bild war, fühlte es sich seltsam an.

* Das größte Flüchtlingslager der Insel. Es trägt den Namen, der angrenzenden kleinen Ortschaft und befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Mytilini, der größten Stadt auf Lesbos. Ursprünglich ausgelegt für 3000 Menschen leben heute zwischen 13 000 und 16 000 Menschen dort (Zahlen abweichend).

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Griechenland (Festland)

„Europa“ setzt sich aus den griechischen Worten eurýs und óps zusammen, das heißt übersetzt „die mit der weiten Sicht“. Europa hat schon lange keine weite Sicht mehr. Ehrlich gesagt dreht sich Europa gerade vor ziemlich vielen Dingen weg. Wir gucken auf den Brexit und auf Trump, darauf dass die Deutsche Bahn sich schon wieder verspätet und der Cappuccino teurer geworden ist. Manchmal gucken wir sogar die Nachrichten. Das, was wir nicht sehen und auch nicht sehen wollen ist, was gerade an Europas Außengrenzen geschieht.

In Griechenland stecken im Moment rund 70.000 Geflüchtete fest. Viele befinden sich im Asylverfahren, das sich oft über Jahre hinzieht; die Termine für die Interviews, in denen die Menschen überhaupt erst ihren Fall der Asylbehörde vorstellen können, liegen mittlerweile zwischen 2021 und 2025. Das bedeutet, dass Menschen Jahre lang in Camps irgendwo in der griechischen Pampa ausharren müssen, ohne arbeiten oder studieren zu können, und auf einen bürokratischen Beschluss warten, der über ihr weiteres Leben entscheiden wird. Lange in Ungewissheit zu warten, keine Perspektiven und wenig Selbstbestimmtheit zu haben ist zermürbend und frustrierend. Viele der Menschen die ich in Griechenland getroffen habe sind einfach nur müde von dem Leben, was sie gerade dort führen müssen. Es ist nicht das Leben, für das sie aus ihrer Heimat geflohen sind. Sie verdienen genauso wie wir ein sicheres und würdevolles Leben.

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Nordlesbos

„In 20 min am HQ“, weckt uns ein Anruf morgens um 04.30. Das HQ (Headquarter), ist eine Ferienwohnung in einem kleinen idyllischen Fischerdorf an der Nordküste von Lesbos, Balkonblick zur nur wenige Seemeilen entfernten türkischen Küste. Hier finden die Debriefings nach so einer Nacht, wie der im Folgenden beschriebenen, statt. Auch die Einarbeitung und Fortbildung der Freiwilligen, die für mehrere Wochen bis Monate hier auf eigene Kosten helfen, wird hier durchgeführt. An welchen Kriterien erkenne ich ein Flüchtlingsboot im Fernglas und Nachtsichtgerät? Wie die verschiedene Behörden-, Frontex- oder NATO-Boote? Wie schätze ich Entfernungen auf dem Wasser und wie manövriere ich von Land aus die Schiffscrew unseres SAR-Schnellbootes, damit diese auf dem Wasser eine sichere Landung, der über das Meer kommenden Menschen, gewährleisten kann. Wie sieht die Ersthilfe bei Unterkühlung und anderen medizinischen Notfällen aus?

Wir fahren gemeinsam mit vier anderen Volunteers ins Notfall-Camp „Stage 2“, das einige Kilometer von der Küste entfernt liegt und in das nach und nach alle neu Angekommenen vom UNHCR und der Polizei gebracht werden, um sich erst einmal von der Überfahrt auszuruhen. Unser Koordinator gibt uns eine kurze Lagebeschreibung: 1 Boot mit ca. 50 Menschen an Bord ist direkt am Leuchtturm Korakas gelandet und wurde dort von den Volunteers, die dort mit Nachtsichtgeräten in kalten 30 Minuten andauernden Schichten das Meer scannen, gleich entdeckt. Ein 2. Boot wurde von der griechischen Küstenwache „intercepted“ und wird aktuell in den Hafen des Fischerdorfes gebracht. Im Auto werden noch Aufgaben verteilt: Tee kochen, das große Zelt mit Matten auslegen, die UNHCR-Decken oder Wasser verteilen. Durchgefrorene oder durchnässte Kinder und Erwachsene bekommen möglichst schnell warme und vor allem trockene Kleidung.

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Redebeitrag

Für eine direkte Aufnahme Geflüchteter in Potsdam!

Ich spreche im Namen der Initiative Potsdam-Konvoi. Wir sind Potsdamerinnen und Potsdamer, die sich für Solidarität mit Flüchtenden in europäischen Krisengebieten einsetzen.

Seit Beginn unserer Arbeit 2016 können wir zuschauen, wie sich die humanitäre Katastrophe, die sich an den Außengrenzen der EU abspielt, sehenden Auges oder besser gesagt, politisch bewusst forciert, verschlimmert. Und damit ist nicht nur die Situation in Griechenland gemeint, denn im direkten Zusammenhang dazu stehen die Reaktionen der Europäischen Länder und Institutionen.

Die Geflüchteten, die es auf die griechischen Inseln geschafft haben, leben größtenteils noch in provisorischen Zeltstädten. Menschen werden teilweise seit Jahren dort festgehalten, damit sie nach einer Vorprüfung im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens schnell in die Türkei abgeschoben werden können. Das Camp Moria auf Lesbos, in dem jeden Winter Leute an den Folgen der Kälte sterben, wurde so zum Symbol des europäischen Versagens. Diese menschenunwürdigen Zustände an den Außengrenzen sind politisch so gewollt und nur ein Teil der inzwischen offen Menschenrechte missachtenden Abschreckungs- und Abschottungspolitik der Europäischen Union, die von der Bundesregierung mitverantwortet wird.

Dazu gehören neben dem EU-Türkei-Deal auch die Dublin-Verordnungen sowie die immer dreistere, jegliche Übereinkünfte und internationales Recht unterwandernde Kriminalisierung von privaten Seenotrettungsdiensten im Mittelmeer, um nur einige Elemente der aktuellen tödlichen Strategie zu nennen.

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Die EU finanziert Folter und Sklaverei in Libyen

 

Common Day of Action am 18. Dezember 2017, Internationaler Tag der Migrant*innen.

In Potsdam und Berlin wird es Aktionen geben, sowie in vielen europäischen Ländern und Tunesien. Lasst uns laut sein und dem Wahnsinn etwas entgegensetzen, denn die Mittel die Europa zur Sicherung der Festung einsetzt verstoßen gegen alle Menschenrechte:

Ich sterbe lieber im Mittelmeer, als zurück nach Libyen zu gehen.”

Das sind die direkten Worte von fast allen Migrant*innen, die aus dem Mittelmeer gerettet wurden.

Während der letzten 3 Jahre geschehen schreckliche Gräueltaten, wenige Kilometer vor der europäischen Küste. Libyen, das Land von dem so viele Migrant*innen ablegen, auf dem Weg nach Europa, ist zu einem Ort des extremen Leids geworden. „Die EU finanziert Folter und Sklaverei in Libyen“ weiterlesen