Hungerstreik und Sexismus in der deutschen Botschaft

Seit dem 1. November befinden sich auf dem Syntagma Platz im Zentrum Athens sieben Frauen* und sieben Männer* im Hungerstreik. Sie schlafen in Zelten auf dem Bürgersteig, direkt gegenüber vom griechischen Parlament. Ihre Forderung geht auch direkt an Griechenland aber auch direkt an Deutschland, denn alle von ihnen haben Familienangehörige in Deutschland. Seit Monaten und Jahren warten sie auf die Familienzusammenführung.

Hinter den acht Zelten hängt einen großes Banner mit der Aufschrift: „Reunite our families now!“ Davor die zehn Kinder, der Streikenden, die auch in den Zelten schlafen, mit Seilen, Stiften und Papier. Rund um die Uhr sind solidarische Menschen dort, die sich darum kümmern, dass es genug Schwarztee, Saft und Wasser gibt, sowie Essen für die Kinder. Es sind aufregende Tage und Nächte, denn jeden Tag ist viel zu tun. Die Streikenden werden regelmäßig von zwei bis drei Ärzten untersucht und der letzte Bericht war nicht sehr beruhigend. Viele der Streikenden leiden schon jetzt unter unterkühlten Händen und Füßen, niedrigem Puls, starken Bauchschmerzen und sinkenden Reflexen. Die Ärzte sagen, dass dies auch daran liegt, dass sie teilweise schon ältere Menschen und vor allem die Frauen mit bis zu vier Kindern vor Ort sind.

Angespannt war die Situation vor allem am Anfang des Streiks, da niemand wusste, wie die Polizei auf die Besetzung des Platzes reagieren wird. Sie drohten direkt in den ersten Stunden diesen zu räumen. Doch bis jetzt schenkten sie uns reichlich wenig Aufmerksamkeit. Nur einmal als eine angeblich wichtige politische Person in das Parlamentsgebäude eingeladen wurde. Da haben sie die Sicht auf, die zu dem Zeitpunkt 5 Tage Hungerstreikenden, mit zwei großen Bussen blockiert. Von Passanten gibt es fast alles an Feedback. Manche bringen Kleidung, Tee und Saft vorbei oder werfen Geld in die Spendenbox. Andere ignorieren den Streik, machen Fotos oder regen sich auf, da der “ Krieg in Syrien ja vorbei ist“.

https://m.facebook.com/hungerstrike4familyreunification/photos/a.758986264307121.1073741826.758985187640562/759037160968698/?type=3&source=45&ref=page_internal (09.11.2017)

Am 8. November gab es eine Demonstration, die bei der deutschem Botschaft enden sollte, da sich die Forderungen ja genau an diese Regierung richtet. Fast 200 Menschen gehen auf die Straße und fordern ein Gespräch bei der Botschaft. Diese stimmt zu und will drei Menschen einladen. Es ist selbstverständlich und schnell klar, dass drei der Streikenden hineingehen. Wer, ist auch schnell entschieden. Zwei Männer und eine Frau sind bereit für ein Gespräch.

Ich war während dessen bei den Zelten, um für die übrigen Streikenden und Kinder warme Kleidung zu verteilen, denn es regnete aus Strömen und alle drängten sich unter das kleine Dach um den Heizkörper. Als ich die Demonstrierenden zurück kommen sah, merkte ich schnell, dass etwas nicht gut war, denn schnell bildete sich ein Kreis und es wurde heftig in arabisch diskutiert und emotional erzählt.  Ich frage nach, was denn passiert sei und war sprachlos.

Als die Arbeitenden in der Botschaft die drei Mensche sahen, die zum Gespräch wollten verneinten sie doch und ihre Begründung ist unbegreiflich. Sie sagten “ Nein! Wir wollen nicht die Frau!“ Alle beschlossen daraufhin natürlich nicht zum Gespräch zu gehen. Die Geflüchteten so wie die Europäer*innen können es nicht fassen und nur vermuten, dass die Angst zu groß sei, dass die Frau zusammenbricht. Samira, eine Mutter, die den Weg mit ihren Kindern allein aus dem Krieg in Syrien nach Griechenland schaffte und hier seit Monaten das Warten aushält, um sich nun für einen Hungerstreik zu entscheiden, was eine der letzten Auswege und eine Lebens gefährdende Entscheidung ist, wird nicht in die deutsche Botschaft gelassen, aus Angst sie könnte zu schwach sein?!  Wir alle fragen uns, was dieses freie Europa sein soll. “ Are no human rights for women from the German side? We asked something simple. To sit on one table and speak. But they don’t let me in because I am a woman.“ schreibt Samira wenig später in einem Statement, über das was sie da vor der Botschaft erlebt hat. Den Menschen hier auf dem Syntagma Platz wurden Menschenrechte schon lange aberkannt, wie den tausenden anderen an den Grenzen Europas und nun auch die Rechte der Frauen. Sie darf Entscheidungen nicht für sich selbst treffen. Sie wurde bevormundet. Schnell wird in der Rage und Wut darüber geredet, ob jetzt auch auf das Trinken verzichtet werden soll. Noch trinken die Streikenden Saft und Tee. Wenn sie damit aufhören würden, wäre der Streik in spätestens zwei Tagen vorbei, denn länger hält es kein Mensch ohne Wasser aus. Ich bin immer wieder zu tiefst beeindruckt von der Stärke der Menschen und mir wird tagtäglich bewusst wie aussichtslos , die Situation sein muss in der sie stecken, um solche Entscheidungen, für sich und auch die Kinder zu treffen. Denn den 14  Leuten auf dem Syntagma Platz geht es nicht nur um sich, sondern auch um die 4.000 anderen Menschen, die noch in Griechenland stecken.  Hier ist der Link zu ihrer Facebookseite, auf der jeden Tag ein Bericht geschrieben wir. Dort befindet sich auch das ganze Statement von Samira und die medizinischen Berichte.

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