Migration ist kein Verbrechen

Ich bin Moment auf Lesbos bei einer NGO und kann, wenn ich den Hügel auf ́s Meer runter schaue, das RIC (Registration and Identification Center) Lesvos sehen, auch bekannt unter Mavrevouni, Karatepe 2 oder Moria 2. Vorher war ich fast drei Monate auf Chios. Ich war dort in Vial (so heißt das Camp dort) Cleaning Coordinator. Wir waren fast jede Woche bis zu dreimal beim Camp, um im inoffiziellen Teil und in den Feldern drum herum Müll zu sammeln. Die Camps haben etwas gemeinsam:

Hohe Zäune und viel Polizei; auf Lesbos sogar noch mehr als auf Chios.

In Chios gab es Polizeicheckpoints, die jede(n), der/die nach Migranten oder Migrantin aussah, kontrolliert haben und, wer keinen entsprechenden Schein hatte – durfte nicht weiter. Auf Lesbos kommt man gar nicht durch das Tor ohne entsprechenden Schein. Um einen solchen Schein zu bekommen, muss man sich schon sehr früh anstellen.

In Griechenland war letztes Wochenende Ostern: das Camp war abgeriegelt über mehrere Tage.

Die Camps gleichen jetzt schon Gefängnissen und trotzdem gibt es Pläne für „geschlossene Lager.“ Die Menschen sind stigmatisiert, auf ihren ID ’s prangt groß „Asylum Seeker“, selbst Neugeborene haben solche Karten.

MIGRATION IS NOT A CRIME!

Es gibt keine Chance auf Bildung für die vielen, vielen Kinder… stattdessen haben auf Chios die Kinder im Müll mit Müll gespielt. Es kann dort kein würdevolles Leben für die Menschen geben und deshalb gehören sie evakuiert und die Camps abgeschafft.

Ich schäme mich für die Bundesregierung und für dieses Europa.

Es macht mich wütend und wir alle stehen hier, um zu rufen:

„Das ist nicht in unserem Namen.“

Überhaupt ist ein würdevolles Leben in Griechenland für Geflüchtete momentan nur schwer möglich. Mit anerkanntem Status verlieren die Menschen das Recht in den Camps zu leben und nach 30 Tagen bekommen sie keinerlei finanzielle Unterstützung mehr. Nicht selten bauen sie sich einen Shelter neben den Camps. Andere verlassen die Inseln Richtung Festland und sind dort plötzlich obdachlos. Es gibt so gut wie keine Strukturen, die diese Menschen auffangen. Wer Glück hat, landet in einem Projekt, das für 6 Monate die Miete zahlt, danach gibt es nichts. Einem Freund von mir geht es so. Er ist mit seiner Frau und seiner 3jährigen Tochter in Athen. Mitte Juni läuft das Programm aus und er sagte, dass sie dann wieder in ein Camp müssen. Es gibt keine Arbeit für die vielen Menschen, um sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es ist bittere Ironie, dass Menschen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wurde, sich als einzige Möglichkeit wieder in die katastrophalen Zustände der Camps flüchten. Das zeigt, wie verzweifelt sie sind.

So lassen sich auch die Berichte vom Festland verstehen, als die BewohnerInnen gegen die geplante Schließung ihres Camps in der Nähe von Korinth protestierten. Wenn der griechische Staat sich nicht mehr um diese Menschen kümmern kann oder möchte – gibt es in Deutschland 246 sichere Häfen. Städte und Kommunen, die bereit sind, Menschen aufzunehmen.

Wir fordern weiterhin ein Ende dieser Blockadehaltung.

Ich habe gelesen, dass Brandenburg aus der letzten Gruppe besonders hilfsbedürftiger Geflüchteter (insgesamt 103 Menschen) neun aufnimmt. Insgesamt wurden nach dem Brand von Moria 75 Menschen nach Brandenburg geholt… 2750 gesamt in die Bundesrepublik…

Das ist Symbolpolitik und nicht genug!

In der letzten Woche wurden ca. 500 besonders schutzbedürftige Menschen (chronisch und psychisch Kranke, aber auch sehr alte Menschen) von Karatepe 1, wo sie pro Familie in einem Container leben konnten, nach Mavrevouni gebracht, wo es nur Zelte gibt. Die Menschen haben wenige Stunden vorher erst davon erfahren und die Transporte fanden zu einer Zeit statt, in der hier noch Ausgangssperre herrschte. Einige Menschen mussten den ganzen Tag ohne Essen und ohne Obdach darauf warten, einen Platz zugewiesen zu bekommen. Ein Mann hat sich wenige Stunden, nachdem er in dem neuen Camp ankam, mit einem Stein selbst den Schädel eingeschlagen und musste ins Krankenhaus.

Hier wurde endlich ein Camp geschlossen, aber die richtige Konsequenz wäre gewesen, diese Menschen direkt zu evakuieren, stattdessen wurden sie ins viel schlimmere Karatepe 2 gebracht. Das Camp, wo sie laut Einschätzung der Ärzte nicht leben konnten und deshalb nach Karatepe1 kamen. Wir fordern endlich ein Ende dieser menschenverachtenden Politik.

Open the Borders! Evakuiert die Lager! Sofort!

Pascal Loerch