Ich halte mir meinen Pullover vor den Mund, als erneut ein Lastwagen vorbei fährt. Der Boden ist trocken und der Staub macht das Atmen schwer. Ein paar Schritte weiter sehe ich große Müllberge und mehrere Straßenhunde. Die einzigen Häuser sind verlassene oder noch benutzte Fabrikgebäude. Hier gibt es keine Wohnungen. Wer würde hier auch wohnen wollen?
Ich bin mit ein paar Menschen aus dem City Plaza auf dem Weg das Lager Elionas. Hier leben die Menschen teilweise schon seit 11 Monaten.
Diese Lager liegen an Orten, wo sie nicht gesehen werden. Elionas ist das zweite, dass ich hier in der Umgebung von Athen sehe und die Zustände sind grauenhaft. In Elionas haben die Menschen wenigstens Container. In Elenikos, einem Camp, dass von ca. 4000 Menschen bewohnt wird gibt es noch immer die UNHCR-Zelte. Sie stehen in einem alten Stadion dicht an dicht. Dieses Camp ist in mehrere Parts geteilt. Es wird nach Herkunft getrennt. Für Syrer*innen und Kurd*innen sind die Umstände schon schlecht, doch besser als für Afghan*innen und viel besser als für Menschen, die nicht dieser Herkunft sind, sondern aus Ländern, wie Pakistan oder dem Iran kommen. Das erzählt uns ein Mensch der dort gewesen ist und nun das City Plaza unterstützt. In den alten Flughafenhallen gibt es nur Tücher und dünne Campingzelte, die kaum Privatsphäre schaffen. Die Toiletten stehen draußen, sowie die Duschen. Das Umziehen muss in geduckter Haltung stattfinden, da man in diesen Zelten definitiv nicht stehen kann. In dem Lager verteilen wir Texte für den 18.März.
Da ist der Global Action Day, gegen die griechische Sparrpolitik, Faschismus und den EU-Türkei-Deal, der an diesem Tag ein Jahr alt wird. Wir laden alle Menschen ein und werden im Camp freudig empfangen, da sie schon auf Informationen gewartet haben. Die Texte sind auf farsi und arabisch übersetzt worden.
Auch Elionas ist in zwei Parts geteilt, das eine wird von einer NGO geleitet, das andere vom Militär. Ich sehe den Unterschied sofort, auch wenn das Militär in dem einen Part nicht präsent währe. Das Militärcamp wirkt noch grauer und trister, als das andere, da die Container unbemalt und viel dichter in geraden Reihen stehen, als in dem von einer NGO geleiteten Camp. Dort gibt es wenigstens ein paar gemeinschaftliche Plätze.
Der Satz der mir hier vor wenigen Tagen von einer Frau im City Plaza gesagt wurde schießt mir in den Kopf: „City Plaza ist das Beste, was diese Menschen hier in Athen bekommen können.“ Und in dem Hotel teilen sich immer noch ´bis zu vier Leute ein Zimmer und es gibt nur wenige Stunden am Tag warmes Wasser, sowie nicht genug Strom, so dass die Familien nicht selbst kochen können. Wir sind dort jetzt eingezogen und ich verstehe immer mehr warum über 1000 Menschen auf der Warteliste für Zimmer stehen.
Anfang der Woche war Clean Monday (ein Feiertag in Griechenland) und der ist mit der Tradition verbunden Drachen steigen zu lassen. Im City Plaza haben wir daraufhin mit den Kindern Drachen aus Mülltüten und Stöckern gebaut. Wir versammeln uns also vor dem Hotel, in dem 400 Menschen wohnen und es sind viele von ihnen da. Wir als Volunteere passen auf die Kinder, ohne Eltern auf und weisen den Weg, denn wir gehen zu einem Berg. Es sieht aus wie eine kleine Demonstration, die sich da auf den Weg macht. Es ist ein schönes Bild, wenn alle die Straßen überqueren. Es weht leider kaum Wind und auf dem Platz, an dem wir uns treffen sind wir fast unter uns. Wir waren im Vorhinein ein bisschen nervös, da Drachensteigen in Afghanistan eine große Tradition hat, die aber darin endet, dass die Kinder sich gegenseitig die Schüre abschneiden. Wir dachten, das könnte griechische Kinder sehr traurig machen. Nachdem die Kinder mit den Drachen hin und her gerannt sind gibt es ein großes Picknick, sowie Musik. Es wird in großen Kreisen getanzt bis alle nach und nach wieder zurück gehen.
Es war ein wunderschöner Tag. So bunt und harmonsísch, wie es immer sein sollte.
Als wir wenige Tage später Informationen in den umliegenden Hausprojekten verteilen wollen, erfahren wir von einem wenige Tage alten Projekt, dass der Besitzer des von nun 100 Geflüchteten bewohnten Gebäudes, mit dem Golden Down ( faschistische Gruppe in Griechenland) und Mord gedroht hat. Mitten in der Nacht sind die Familien aus dem Haus geflohen und wurden in umliegenden Projekten untergebracht, auch im City Plaza finden zwei Familien unterschlupf. Die Stimmung und die Angst der Menschen, die uns diese Informationen mitteilen lässt mich nur schwer los. Als ich am nächsten Abend mit einem afghanischen Jungen in einem Spanischkurs, im Hotel City Plaza sitze und wir beide mit dem selben Motiv diese Sprache lernen wollen, einfach weil sie schön ist und weltweit viel gesprochen wird, muss ich lächeln und werde im selben Moment unglaublich wütend, weil mir die Nachrichten und ihre Auswirkungen bewusst werden. Deutschland will diese Menschen gerade massenhaft abschieben.