Wir stehen vor der Soul Food Kitchen in der Sonne an großen Edelstahltischen und schnippeln große Mengen Gemüse. Die Soul Food Kitchen ist eine unabhängige Küche, in der für obdachlose Geflüchtete und Griech_innen in Thessaloniki gekocht wird. Wir blicken auf alte Industriebrache außerhalb der Stadt. Das Gelände, auf dem auch die Soul Food Kitchen ist, wird für verschiedene Projekte genutzt: Darunter das Büro von „help refugees“, eine Gemüseverteilung und der größte Teil ist das „Warehouse“, eine große Lagerhalle voll mit Spenden, die sortiert und von hier aus verteilt werden.
Mit uns in der Sonne am Edelstahltisch, Hygienehandschuhe an allen Händen: Freiwillige aus verschiedenen Ländern, verschiedenen Alters. Internationale Musik, Geräusche von Besteck und großem Geschirr, Gespräche über Politik, das Essen, die verschiedenen Motivationen und Wege, wie die einzelnen Freiwilligen zur Soul Food Kitchen gefunden haben. Wir treffen Leute aus Serbien, Spanien, USA, Groß Britannien, Frankreich und Deutschland. Niemand wird dafür bezahlt, manche sind durch Organisationen hier, andere unabhängige Freiwillige. Einige waren schon im letzten Jahr in den Geflüchteten-Camps um Thessaloniki aktiv und sind jetzt wieder hier. Viele der Camps sind mittlerweile geräumt, die Struktur aus Initiativen und Volunteers besteht weiterhin. Denn viele Geflüchtete sind weiterhin in Thessaloniki. Manche in Wohnungen, viele auf der Straße und in den Spots, wie einer großen Bauruine und einem kleinen Park, zu der die Soul Food Kitchen jeden Tag zwei Mahlzeiten, mindestens eine warme, liefert. In der Zeit, (die uns viel zu kurz vorkommt!) die wir in der Soul Food Kitchen helfen, werden jeden Tag insgesamt zwischen 200-300 Essen gekocht und verteilt. Wie viel je gekocht wird, ist abhängig von den Ereignissen in der Stadt und der Kommunikation mit den Menschen vor Ort. Zum Teil gibt es Ansprechpartner_innen an den einzelnen Spots, die viel über die Situation wissen und uns sagen können, wie viel Essen in den nächsten Tagen gebraucht werden. An einem Tag bleibt viel Essen übrig. Die sonst sehr gute, herzliche und offene Stimmung ist bedrückt: Ein verlassenes Gebäude, in dem Geflüchtet leben, wurde wieder geräumt, an einem anderen Spot, zu dem auch Essen gebracht wird, gab es einen weiteren Polizeieinsatz. Wenn das passiert, trauen sich nur wenige Menschen zur Essensausgabe. Bei der Auslieferung rechnen die Freiwilligen immer mit einem Gespräch mit der Polizei. Die Aktivität der Soul Food Kitchen ist geduldet, aber scheinbar nicht unbedingt gewünscht.
Auch wenn der Koordinator der Soul Food Kitchen der Ursprungslegende nach mit 20 Euro nach Griechenland gekommen ist und die Küche von Null aufbaute, ist alles sehr organisiert und professionell. Auf Hygiene und Sauberkeit wird großen Wert gelegt. Desinfektion, Gummihandschuh, Desinfektion! Jedes Essen wird von einer Person koordiniert. Zur Ausgabe kommen meistens insgesamt 4 Leute im Transporter mit: Zwei Fahrer_innen – während wir da sind, sind sie von der catalanischen Fahrer_innen-Organisation „Erec“ – und zwei Leute, die das Essen ausgeben. Eine Person steht vor dem Transporter, fragt die Menschen, wie viel sie wollen, die zweite Person gibt das Essen raus. Außer der Mahlzeit, die in einzelnen Alu-Einweg-Schalen ausgegeben wird, werden Wasserflaschen und Kekse verteilt. Viele sind dankbar und manchmal gespannt, welches Essen es dieses Mal gibt. Die Leute, die zum Transporter kommen sind meist geflüchtete Männer*, die aus Ländern kommen, die nicht in die Camps gelassen werden, beziehungsweise sich nicht registrieren lassen können oder wollen, weil sie sonst abgeschoben werden. Und auch Kinder einer Roma-Familie und ältere Griech_innen sind dabei. Viele sind den Freiwilligen bekannt und es gibt kurze Gespräche während der Ausgabe in gebrochenem Griechisch oder Englisch. Einer der griechischen Obdachlosen freut sich, dass zwei Freiwillige bemerken, dass er sich den Bart und die Haare geschnitten hat. Die Geflüchteten gehen an dem Tag eher wortlos mit dem Essen davon und setzen sich wieder in die Sonne neben der Bauruine. In der Nacht war die Räumung und die Stimmung ist noch angespannt.
Wieder in der Soul Food Kitchen treffen wir den Koordinator. Er ist fertig und müde vom Tag und sagt uns „I just want to get drunk.“ (Ich möchte einfach nur betrunken sein.) Wir verstehen ihn und sagen ihm, dass er es dann doch machen soll. Er entgegnet, dass er es nicht kann, weil er zu viel Verantwortung für die Soul Food Kitchen hat. Er lebt gerade nur für dieses Projekt und gibt seine ganze Energie dafür. Ihn braucht es, genauso wie die vielen Freiwilligen, die in der Soul Food Kitchen und anderen Projekten willkommen sind.