Seit einigen Tagen sind wir nun in Athen. Unser Ziel ist es unter anderem zu schauen, wie hier die Unterkunftssituation für Menschen auf der Flucht ist, da wir wissen, dass die meisten Camps in Thessaloniki nun leer und viele Menschen nach Athen umgesiedelt worden sind. Generell sind das großartige Nachrichten, denn nun leben fast alle Menschen aus den Camps, die wir kannten, in festen Zimmern oder Wohnungen. Es ist ein Schritt eine gute Richtung, in Athen sehen wir jedoch eine ganz andere Situation.
Um die Stadt herum liegen wieder mehrere große Zeltlager. Viele Menschen warten auch hier schon seit Monaten auf ihr erstes Interview oder sind nach einer Abschiebung zum zweiten Mal in Griechenland. In der Stadt selbst sehe ich auf den großen Plätzen viele junge Männer. Es ist auch tatsächlich so, dass vor allem die allein geflohenen Männer auf der Straße leben. Die Hausprojekte nehmen als erstes Familien auf und ältere Menschen. So ist auf dem Plateia Exarchia jeden Abend ein Feuer laute Musik und viel los. Einer der Jungs zeigt uns, dass er mehrere Pistolenkugeln in seinem Körper hat. Hier haben schon mehrere Menschen versucht ihn damit und mit seinen psychischen Problemen zum Arzt zu bringen , doch zu den Terminen wollte er nicht erscheinen. Es gibt auch des Öfteren die Situation, das Ärzt*innen sich weigern Geflohene zu behandeln oder Krankenhäuser behaupten, dass dort niemand englisch spreche. In solchen Fällen müssen dann Freiwillige mit dem Krankenhaus reden. Viele Freiwillige wohnen in Hausprojekten. Auch wir gehen in das City Plaza Hotel, welches seit dem 11. April 2016 ein selbstorganisietes Haus zur Unterbringung von obdachlosen fliehenden Menschen ist. Es liegt mitten in der Stadt, an einer großen Straße und stellt 100 Zimmer für Geflüchtete zur Verfügunge. Die anderen 30 sind für Kleidung, andere Dinge und Schlafplätze für Volunteers. Ich erfahre, dass der Andrang groß ist. Einer der Freiwilligen erzählt mir, dass er in einer Nachtschicht allein schon zwei Familien abweisem musste, die auf den Straßen lebten und nach einer Unterkunft im City Plaza gefragt haben. Es wohnen rund 400 Menschen in den Räumen und es muss übersichtlich bleiben, da das Haus einen sicheren Schutzraum bieten soll. Die Bewohner*innen wechseln oft und die Zimmer sind trotzdem eogentlich immer voll. Als wir ankommen werden wir vom Schutz an der Tür zur Rezeption und von dort direkt in die Bar geschickt. Dort gibt es Getränke und ein Verbot für Kinder, da es der einzige Raum ist in dem geraucht werden darf. Wir kommen zufällig zu der Zeit des Freiwilligentreffens,
welches einmal wöchentlich stattfindet. Ich zähle rund 17 Menschen, die teilweise sehr geschafft wirken. Die allgemeine Stimmung ist aber froh und offen. Ich fühle mich direkt willkommen.
Es gibt viel zu tun. Sei es, Kochen, Putzen, Kinderbespaßung oder Schutz, es wird freiwillige Beteiligung gefordert, denn das Haus hat sieben Etagen, die es zum Instandhalten gibt. Es gibt wenig Strom, desswegen darf hier in den Zimmern nicht selbst gekocht werden. Für viele ist das eine enorme Einschränkung, obwohl zweimal am Tag für alle gekocht wird. Das merle ich bei den Gesprächen während der großen Hausversammlung, zu der leider nicht so viele, wie erhofft erscheinen.
Vor dem Haus stehen zwei große Mülltonnen, in denen unter anderem Kleidung und Sachspenden landen. Ich beobachte eine Familie, die sich Jacken und einen Teppich aus diesen Tonnen nimmt. Von einer griechischen Studentin höre ich, dass es hier immer wieder zu Streit um weggeworfene Dinge und Nahrungsmittel kommt. In Athen gibt es einfach sehr viele verschiedene Menschen die darauf angewiesen sind. Das Hotel bietet also einen Raum zum Wohnen, trotzdem schlafen auch hier viele Menschen seit Monaten im Park und auf den Straßen. Ein Mann, dessen Familie bereits in Kanada ist, nennt Athen sein „neues Gefängnis“, als er uns erzählt, dass er seit einem Jahr auf sein Interview wartet. Der Termin dafür kommt kurzfristig und lässt sich nicht vorhersagen. Vieles wirkt chaotisch hier, doch es gibt tolle Projekte, über die wir in den kommenden Wochen berichten wollen.