Warten, ewiges Hoffen und ein Besuch

Vor ein paar Tagen kam ein Mann zusammen mit seinem ältesten Sohn in das Lager in KALOCHORI. Aber nur zu Besuch, denn die beiden wohnen schon seit drei Jahren in Bochum. Der Rest der Familie lebt noch im Lager. Sie warten auf ihr zweites Interview mit Aussicht auf  Asyl in Deutschland. Wartezeiten bestimmen hier das Leben der Flüchtenden. Das ist etwas, was wir nun verstehen. In IDOMENI waren zwar die Umstände teilweise zwar noch notdürftiger, dafür war in den Köpfen der Menschen noch Hoffnung und der Glaube daran bald nach Europa, in Sicherheit zu gelangen. Mit jedem Monat des Wartens mehr wird die Hoffnung immer kleiner. Ungewissheit wandelt sich zu Frustration.  Einige der Menschen sitzen seit acht Monaten oder noch länger in riesigen Lagern fest. Das liegt zum Einen an der unvorstellbar hohen Zahl an Asylsuchenden in Griechenland: Seit Anfang des Jahres 2016 sind ca. 168.630 Menschen über den Seeweg auf den griechischen Inseln angekommen. Und die Zahl steigt stetig weiter an.
Des Weiteren ist die Datenerfassung und das anschließende Asylverfahren eine lange und bürokratische Prozedur. Auch die Menschen im KALOCHORI-Camp sind in unterschiedlichen Stadien der Registrierung. Daher kommt es hin und wieder vor, dass eine Familie das Lager verlässt, neue Menschen dazu kommen und andere noch bis April nächsten Jahres auf ihren ersten Interview Termin warten müssen.

Nach der Pre-Registrierung, also dem Festhalten der wichtigsten Daten, Ausstellung einer „Asylum Seeker’s Card“, und die Aufnahme in das Computersystem der Asylbehörde, beginnt die Erste Warteperiode. Warten auf das erste Interview. Wie lange das dauert, hängt unter anderem auch davon ab, welche „Option“ der/die Flüchtende ins Auge fasst.  Am Tag des Interviews werden vor allem Fragen gestellt: „Warum die Flucht?“, „Wie bist du nach Griechenland gekommen?“, „Wo halten sich deine Familienmitglieder auf?“, etc.
Der/die Flüchtende kann dann zwischen drei Möglichkeiten auswählen, wo und wie sein/ihr weiteres Leben verlaufen soll.

  • Direkt in Griechenland Asyl beantragen, geht wahrscheinlich am schnellsten und bedarf keiner erneuten weiten Reise, doch „Griechenland ist ein armes Land, es ist schwer hier einen Job zu finden und sich ein Leben aufzubauen.“
  • Wenn Familienmitglieder bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, kann der/die Flüchtende einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen und bei einer Bewilligung in das jeweilige Land umziehen. Klingt einfach, ist aber nur unter bestimmten Bedingungen möglich, denn hier zählt als „Familie“ nur ein*e Ehemann/-Frau oder ein Kind unter 18 Jahren. Wenn der/die Antragstellende selbst noch Minderjährig ist, zählen auch Onkel und Tanten, Großeltern oder Geschwister zur näheren Familie.

Auch Chems* aus KALOCHORI hofft auf die Bewilligung der Behörden,  dass ihre Familie wieder in Hamburg vereint werden kann. Die Chancen stehen gut. Zumindest für sieben der Familienmitglieder, die noch im Camp leben. Einer ihrer Söhne ist 19 damit fällt er als einziger aus dem Bedingungsrahmen für die Familienzusammenführung  und ihm bleibt keine andere Möglichkeit als das Relocation Program zu wählen und zu hoffen. Zu hoffen, dass er nach Deutschland geschickt wird und seine Familie Wiedersehen darf.

  • Alle, die zwischen März 2015 und März 2016 die Grenzen der EU erreicht haben haben die Möglichkeit am „Relocation-Program“ teilzunehmen. Wie der Name schon sagt bietet es Flüchtenden aus ausgewählten Ländern die Möglichkeit legal in einem anderen EU Land Asyl zu beantragen. Hierbei ist es zwar möglich eine Liste mit Wünschen einzureichen, doch am Ende entscheidet die Behörde. Geflüchtete, die nach der Umsiedlung das zugeteilte Land verlassen, werden früher oder später gezwungen dorthin zurück zu kehren. Wird die Relocation bewilligt, ist Asyl aber noch nicht garantiert. Dies ist ein weiterer Prozess, der dann vom jeweiligen EU-Staat  umgesetzt werden wird. Weigert sich der/die Asylsuchende den Vorschlag anzunehmen, bleibt nur noch die Möglichkeit in Griechenland Asyl zu beantragen.
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Stolz lächelt der Vater, als er erzählt, dass seine Söhne schon ein wenig Englisch sprechen können. „Bestimmt werden sie auch schnell Deutsch lernen“, sagt er „weil sie hier von so vielen Sprachen umgeben sind.“

Das deutsche Jobcenter verspricht Dem Mann aus Bochum bessere Chancen, wenn er viel arbeitet. Sein Pass wird nun um 3 Jahre verlängert. Bei meiner Frage, ob es für seine Frau und die beiden Söhne (4 und 5 Jahre) eine Chance auf Asyl gebe, zeigt der Familienvater nur in den Himmel und zuckt mit den SchulternVersprochen wird es ihm schon lange. Ihm sei alles egal, ob in Griechenland oder Deutschland, hauptsache seine Söhne können eine Schule oder Kindergarten besuchen. In Deutschland seien Kinder in dem Alter so stark, gesund und groß, sagt er und schaut dabei zu seinen müden Kinder. Als die Kinder dann vor mir stehen, an der Hand ihres stolzen Vaters, dann bekomme ich einen ganz anderen Bezug zu der Geschichte, die so vielen Geschichten ähnelt und eine ganz neue Wut. Aber was bringt diese? Hier bringt sie nichts. Hier spüre ich nur, dass ich an den richtigen Stellen unterstütze und das bestätigt sich jeden Tag aufs Neue.

(*Namen geändert)

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Quellen und noch mehr Infomaterial:
http://data.unhcr.org/mediterranean/country.php?id=83 (Stand: 19.10.2016)
https://mobileinfoteam.blogspot.gr/p/info-sheets.html